1. Verwaltungsreform aufgabenbezogen und transparent vorbereiten; Hüh – und Hott aus
der Staatsregierung schadet der Sache
Die Landesdelegiertenkonferenz von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bestätigt die Beschlüsse der Kreiskonferenz
vom 17. 12. 05, insbesondere die Ablehnung einer Fusion von Landkreisen und kreisfreien Städten auf nur noch
5 Regionalkreise und die Notwendigkeit, die Föderalreform bei der Verwaltungsreform zu berücksichtigen.
Unsere Sorge gegen das Vorgehen der Staatsregierung wurden leider bekräftigt. Nachdem die
Verwaltungsreform zuerst als Schnellschuss und ohne genügende Einbeziehung der Öffentlichkeit durchgesetzt
werden sollte, wurde der verantwortliche Minister aus den eigenen Reihen zurückgepfiffen. Diese Hüh-HottPolitik ist unakzeptabel und schadet der Sache.
Unverändert halten wir – auch angesichts der Konsolidierungsüberlegungen im Landeshaushalt - eine präzise
aufgabenbezogene Diskussion für unabdingbar. Außerdem ist die kontinuierliche Einbeziehung des Landtages –
z. B. über einen Unterausschuss – unabdingbar.
2. Mehr Transparenz und Kontrolle für die Arbeit der Kommunalverwaltungen
Im Zuge der Verwaltungsreform sollen den sächsischen Landkreisen und kreisfreien Städten etliche zusätzliche
Aufgaben mit zusätzlichem Personal übertragen werden. Eine etwaige Kreisreform würde die Kreisgebiete
deutlich vergrößern. Eine politische Kontrolle durch die gewählten Organe – Landrätinnen, Landräte,
Bürgermeisterinnen und Bürgermeister einerseits und ehrenamtliche Kreistags- bzw. Stadtratsmitglieder
andererseits – wird durch den gestiegenen Aufgaben- und Personalumfang gestärkt.
Bereits jetzt gibt es in vielen Gemeinden und Landkreisen (Kommunen) Tendenzen zur Verfilzung und
Korruption. Die Stellung der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sowie Landrätinnen und Landräte
gegenüber den ehrenamtlichen Rätinnen und Räten ist zu stark; eine Kontrolle findet im kommunalen Alltag zu
wenig und nicht effektiv statt. Ebenfalls zu schwach ist die öffentliche Kontrolle der Ratsmitglieder. Die
Befangenheitsregelungen der sächsischen Gemeindeordnung reichen nicht aus, um eine Verflechtung der Ratsund Kreistagsabgeordneten mit den jeweiligen Verwaltungen auszuschließen.
Diese Situation würde sich durch vergrößerten Aufgabenumfang der Kommunen noch zuspitzen. Daher müssen
die Kontroll- und Transparenzmechanismen durch eine entsprechende Novelle der sächsischen
Gemeindeordnung vor Inkrafttreten einer Verwaltungsreform verbessert werden.
Hierzu schlagen die Bündnisgrünen folgende Maßnahmen vor:
- Ausschluss, dass Bürgermeisterinnen und Bürgermeister aus kreisangehörigen Gemeinden auch in Kreistagen
sitzen dürfen
- Möglichkeit kommunaler Untersuchungsausschüsse mit Befragungsrechten für die Ratsmitglieder
- Leichtere Akteinsichts- und Fragemöglichkeiten für die kommunalen Ratsmitglieder; Möglichkeit des Kopierens
bei Akteneinsichten
- Erleichterung der Möglichkeiten der Gemeinden, Haftungsansprüche gegen Amtsträger geltend zu machen,
wenn Korruptionsfälle vorliegen
- Verträge, die Kommunen mit Ratsmitgliedern, Beigeordneten, leitenden Bediensteten der Kommune und ihrer
Unternehmen sowie deren engsten Verwandten abschließen, sollen generell dem Rat oder einem Ratsausschuss
vorgelegt werden (soweit sie nicht ortsübliche Leistungen wie Kitabetreuung betreffen oder durch feste
Gebühren geregelt sind)
- Vorschriften für die Ratsmitglieder zum Ausschluss von Interessenkollisionen (Ehrenordnungen)
- Beratung der Kommunalaufsicht zur Vorbeugung von Korruptionsfällen; konsequentes und gleichmäßiges
Vorgehen der Rechtsaufsicht bei Verletzung von gesetzlichen Vorschriften
3. Beibehaltung von drei regional angebundenen Mittelbehörden mit neuer politischer Steuerung und Behördenkultur
Aufgabe der mittleren Behördenebene ist, die untere Behördenebene in Widerspruchsverfahren und als
Rechtsaufsicht zu kontrollieren sowie überregionale Fach- und Vollzugsaufgaben zu übernehmen und zu
koordinieren.
Die Arbeit der bisherigen Regierungspräsidien steht in allgemeiner Kritik. Es treten erhebliche Probleme bei ihrer
politischen Steuerung auf. Rechtaufsichtliches Handeln wird nicht kontinuierlich wahrgenommen und mit
politischer Einmischung vermischt. Die fachliche Kontrolle und Koordination durch die Ministerien ist
ungenügend und wird ebenfalls mit politischen Ambitionen verbunden. Eine fachliche Abstimmung für
Aufgaben, welche die Zuständigkeitsbereiche der Mittelbehörden übersteigen, findet zu wenig statt. Die durch
Schaffung einer mittleren Behördenebene erhoffte Nähe der Verwaltung zu Bürgerinnen und Bürgern,
Unternehmen und Selbstverwaltungskörperschaften wurde nur teilweise realisiert.
Vor diesem Hintergrund treten BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dafür ein, dass die mittlere Behördenebene regional
organisiert und in den drei verschiedenen Regionen Sachsens vertreten bleibt wie bisher. Diese Mittelbehörden
dürfen jedoch künftig nicht so agieren wie die sächsischen Regierungspräsidien bisher. Geboten sind weniger
politisch motivierte Einmischung, mehr Fachlichkeit, konsequenteres Vorgehen der Rechtsaufsicht sowie ein
Abstimmungszwang bei regional übergreifenden Entscheidungen der Mittelbehörde. . Die Mittelbehörden sollen
als Aufsichts- und Dienstleistungsbehörde funktionieren und Mittler zwischen der Landesverwaltung und den
Kommunen sein. Notwendig ist stärkere Kontrolle und Rückkopplung mit den Ministerien, um die mittlere
Behörde besser anzubinden – besonders für ressortübergreifende Fragen. Eine Evaluation der Behördenarbeit
auch aus Sicht der Bürgerinnen und Bürger sollte regelmäßig erfolgen (Verfahrensdauern, Anzahl der
Untätigkeitsklagen u. ä.) und zur notwendigen Verbesserung der Behördenkultur beitragen.
4. Verkleinerung und Zusammenlegung der Regionalschulämter, Verlagerung schulbezogener Aufgaben in die Kommunen
Die bisherigen Überlegungen zu den sächsischen Regionalschulämtern greifen zu kurz. Die Anzahl der
Lehrerinnen und Lehrer in Sachsen ist um 30 % gesunken, die der Schülerinnen und Schüler um 50 %. Im
Vergleich dazu hat sich die Anzahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Regionalschulämtern kaum
verändert - dieser Überbau ist nach Ansicht von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu groß. Wir fordern eine kritische
Überprüfung der Anzahl und Standorten von Regionalschulämtern. Die Kommunalisierung vor Ort besser
wahrzunehmender Aufgaben wird von uns unterstützt – so die Überwachung der Schulpflicht und die
schulpsychologische Beratung. Hierdurch kann die notwendige Zusammenarbeit von Jugendhilfe und Schule für
die Betroffenen viel besser stattfinden als bisher.
Durch Neustrukturierung der Schulaufsicht frei werdenden Fachleute der Regionalschulämter können die
zunehmend eigenständigen Schulen inhaltlich vor Ort stärken und wichtige Koordinierungsfunktionen
übernehmen.
Weitere Aufgaben der Regionalschulämter können zentral effektiver erledigt werden. So sollte die
Prüfungsbehörde für die zweite Staatsprüfung dem Ministerium zugeordnet werden.
5. Mindeststandards für Verwaltung im ländlichen Raum; Überprüfung der Anzahl der notwendigen Mittelzentren
Sollte im Zuge der weiteren Überlegungen zur Verwaltungsreform eine Kreisreform tatsächlich erforderlich
werden, muss ein Verwaltungsangebot in der Fläche gesichert sein. Eine Beschränkung der örtlichen
Verwaltungsstellen in den im Landesentwicklungsplan ausgewiesenen Mittelzentren greift dabei zu kurz.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Sachsen fordern, dass die Ausweitung dieses Netzes geprüft wird. Des weiteren
ist ein Konzept für das Grundangebot an Verwaltung im ländlichen Raum zu entwickeln (Bürgerbüros,
Mindeststandards). Das örtliche Netz an Verwaltung und diese Minimalangebote sollten vom Landtag als
Gesetz beschlossen werden.
6. Gestärkte Umweltbehörden mit effizienten Strukturen im Vollzug und landesweiter Kompetenz bei fachlichen Aufgaben
Grundsätzlich können BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dem Bündelungsansatz der Verwaltungsreformkommission
folgen. Eine Besonderheit gilt allerdings für die Umweltbehörden. Diese haben die Aufgabe, entsprechend dem
Staatsziel in der sächsischen Verfassung natürliche Lebensgrundlagen zu schützen und nehmen dabei auch
Aufgaben wahr, für die es keine rechtlich betroffenen und entsprechenden Interessenvertretungen gibt.
Deshalb fordern BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ein vertieftes Nachdenken über die Struktur der Umweltbehörden.
Eine sachsenweite Umweltbehörde mit Fokus auf überregionale fachliche Aufgaben und ohne Vollzugsaufgaben
in den Bereichen Umwelt, Landwirtschaft, Forst und Geologie ist unabdingbar; nur so kann Effizienz und hohe
Qualität bei der Arbeit der Umweltverwaltung erreicht werden. Unter diesem Gesichtspunkten ist weiterhin
kritisch zu überprüfen, ob sich die Auflösung der Staatlichen Umweltfachämter als erfolgreich erwiesen hat oder
revidiert werden sollte.
Der Vollzug von Umweltrecht sollte künftig konzentriert vom Ministerium für Umwelt und Landwirtschaft
gesteuert werden; derzeit werden zu viele umweltrechtliche Aufgaben von Straßenbauämtern, Oberbergämtern
und dem Straßenmanagement erledigt. Die Vollzugsaufgaben der unteren Behörden sollen in den Kommunen
wahrgenommen werden; hierzu gehört auch die Regelung von Mindeststandards für Personalausstattung und
Qualifikation in den kommunalen Umweltbehörden.
Die Auflösung der Stiftung für Natur und Umwelt lehnen wir aufgrund der dort wahrgenommenen, besonderen
Aufgaben ab.
7. Mehr Demokratie in die Landkreise und Gemeinden
Die Übernahme weiterer Aufgaben in Landkreise und kreisfreie Städte sowie die etwaige Vergrößerung der
Kreisgebiete erfordern mehr demokratische Rechte für Einwohnerinnen und Einwohnern. Die Legitimation der
kommunalen Spitzen muss gestärkt werden. Die Arbeitsmöglichkeiten der ehrenamtlich arbeitenden Kreistagsund Ratsmitglieder müssen bereits jetzt erleichtert werden.
Hierfür fordern wir:
- Allgemeines Akteneinsichtsrecht für EinwohnerInnen für alle nicht vertraulichen oder geheimen
Angelegenheiten
- erweiterte Vorschriften zur Beteiligung von EinwohnerInnen in allen ortsrelevanten Fragen, besonders bei
Planungen und als Bedingung für die Erhebung von Abgaben und Gebühren
- Absenkung der Hürden für alle Bürgerbegehren, besonders in den größeren Kommunen und für das Begehren
zur Abwahl von BürgermeisterInnen und LandrätInnen
- Verkürzung der Amtszeiten von BürgermeisterInnen, LandrätInnen und Beigeordneten auf 5 Jahre;
Angleichung der Wahlperioden mit denen der Räte
- verbesserte Arbeitsmöglichkeiten für die ehrenamtlichen Abgeordneten besonders in den Kreisen und
kreisfreien Städten (Freistellungsmöglichkeiten verbessern, Entschädigungen den tatsächlichen
Arbeitsaufwänden anpassen, Ratsinformationssysteme mit Dienst-PC und Freifahrtsmöglichkeiten)
8. Bürgerfreundliche Widerspruchsverfahren mit unabhängigen Widerspruchsausschüssen
Wir fordern, dass die Widerspruchsverfahren in Sachsen bürgerfreundlicher gestaltet werden als bisher. Dazu ist
die Einrichtung von Widerspruchsausschüssen sowie die Einrichtung einer mündlichen Verhandlung im
Widerspruchsverfahren zu prüfen. In den Widerspruchsausschüssen sollen ehrenamtliche SchöffInnen und
Schöffen vertreten sein; die Widerspruchsstellen müssen mit genügend Kapazität und Kontrollmöglichkeiten
versehen werden. Auf diesem Wege können die Entscheidungen der Verwaltungen effektiver kontrolliert und
Verfahrenswege vereinfacht werden (Einsparung von Verwaltungsgerichtsverfahren).
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