Der Bundestag hat die Kompetenz zur Regelung der Ladenöffnungszeiten im letzten Jahr an die
Länder delegiert. Bestehen bleibt der Schutz des Sonntages und der staatlich anerkannten
Feiertage durch Artikel 140 des Grundgesetzes. Wir begrüßen die Übertragung der
Regelungshoheit als einen Schritt zur Stärkung des Föderalismus und des Prinzips der
Subsidiarität.
Als Thema taugt die Regelung der Ladenöffnungszeiten für einen kulturellen Diskurs ebenso wie
zu einem Grundsatzstreit über den Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Es bietet
Anlass, über Fragen der Stadtentwicklung und über die Märkte auf der Grünen Wiese zu
diskutieren, und kann auch dazu dienen, das Gespenst der fortschreitenden Globalisierung noch
ein wenig schwärzer zu malen.
All diese Debatten verkennen: Die Realität beim Ladenschluss ist über sie schon längst
hinweggegangen. Durch Ausnahme- und Sonderregelungen wurde der klassische Ladenschluss
bereits durchlöchert wie ein Schweizer Käse. Tankstellen, Bahnhöfe, Flughäfen und der PizzaService
firmieren unter der Rubrik Ausnahme ebenso wie der Weihnachts-. und der
Mittelaltermarkt. Und ebay hat sowieso 24 Stunden geöffnet – sieben Tage die Woche.
Ausgehend von den Fragen, um welche Bereiche der Staat sich kümmern soll, wo es
Regelungsbedarf gibt, der nur durch den Gesetzgeber erlassen werden kann, wo es
schutzbedürftige Interessen Dritter gibt, die nur der Staat garantieren kann, muss man zu dem
Ergebnis kommen, dass der Staat sich aus dem Thema Ladenöffnungszeiten weitestgehend
heraushalten sollte.
Auch aus Gründen der Gleichbehandlung muss man zu diesem Ergebnis kommen: Wenn wieder
eine neue Sonntagszeitung erscheint, ruft ja auch niemand nach dem Staat, der Journalisten,
Drucker, Setzer und Verkäufer vor der Arbeit am Wochenende schützen soll. Solche Fragen,
wann eine Zeitung gemacht, gedruckt und verteilt wird, überlassen wir dem freien Spiel der Kräfte.
Montag in der Früh haben wir nicht nur die Tageszeitungen, sondern auch
Nachrichtenmagazine druckfrisch zur Verfügung. Möglich ist das nur durch Wochenendarbeit.
Warum also soll der Staat die Ladenöffnung regeln, wenn der Spiegel seit mehr als 50 Jahren
montags erscheinen darf?
Für den Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gibt es eigene Gesetze. Mit der
Forderung, im Ladenschlussgesetz jede Eventualität im Sinne der Angestellten zu regeln, sind die
Gewerkschaften auf dem besten Wege, sich selbst überflüssig zu machen. Gewerkschaften
können nur dort segensreich im Sinne der Kolleginnen und Kollegen agieren, wo der Staat – wie
im Falle der Tarifautonomie – als Regelungsinstanz nicht in Erscheinung tritt. Im Übrigen: Die 5-
Tage-Woche haben sich die Gewerkschaften allein erkämpft.
Damit keine Missverständnisse entstehen: Wir sehen die Entwicklung der Situation der
Beschäftigten im Einzelhandel mit großer Sorge. Der Abbau bei den sozialversicherungspflichtig
Beschäftigten geht einher mit der Anforderung an eine immer höhere Flexibilität bei der
Arbeitszeit. Nicht selten werden bei Dumping-Löhnen unbezahlte Überstunden geleistet;
Schichtarbeit ist immer eine Belastung für die Familien. Der Kampf der Gewerkschaften für
Tariflöhne, betriebliche Mitbestimmung, faire Arbeitsbedingungen und Sicherheit am Arbeitsplatz
findet besonders im Einzelhandel unsere Unterstützung. Das Ladenschlussgesetz ist in unseren
Augen aber der falsche Hebel, um diese berechtigten Anliegen umzusetzen.
Wir glauben nicht, dass längere Ladenöffnungszeiten zu höheren Umsätzen führen. Wir wissen
nicht, ob größere Ketten oder kleinere Läden von veränderten Öffnungszeiten profitieren. Wir
sehen jedoch kleinere und mittlere Unternehmen im Vorteil, schnell auf veränderte Bedingungen
zu reagieren. Entscheiden werden sich die Fragen im Wettbewerb.
Die Entscheidung darüber, wie lange und wie oft die Läden in Sachsen geöffnet sind, sollte in die
Verantwortung einer Gruppe gelegt, die als einzige dafür kompetent ist: Die Verbraucherinnen
und Verbraucher. Ladentüren bleiben nur dort geöffnet, wo ein Umsatz erzielt wird, der
mindestens die Kosten deckt.
Daher plädieren wir nach sorgfältiger Abwägung dafür, dass der Staat sich so weit es geht
zurücknimmt. Ein Ladenschlussgesetz, wie wir es uns wünschen, ist kurz:
Sonntags bleiben die Läden geschlossen. Über bis zu vier Ausnahmen im Jahr entscheiden die
Städte und Gemeinden in eigener Verantwortung.
Der Landesvorstand wird beauftragt, in Zusammenarbeit mit den Landesarbeitsgemeinschaften
und den Kommunalpolitikerinnen und -politikern im Zuge der Programmbearbeitung konkrete
Vorschläge zur Stärkung des Einzelhandels und der Innenstädte vorzulegen.
Beschluss PDF