Der Energie- und Klimaplan der letzten schwarz-gelben Koalition in Sachsen enthielt zum Klimaschutz lediglich die Zielvorgabe, die CO2-Emissionen im Nicht-Emissionshandelbereich von rund 15 Mio. Tonnen (2009) auf rund 12 Mio. Tonnen (2020) zu reduzieren. Das ist ein anspruchsvolles Ziel in diesem Segment und dennoch bringt es Sachsen beim Klimaschutz nicht voran, weil es das eigentliche Problem bewusst ausklammert, denn Sachsens CO2-Ausstoß beträgt jährlich rund 50 Mio. Tonnen! Der Löwenanteil davon entsteht bei der Braunkohlenverstromung, für den es im sächsischen Energie- und Klimaplan keinerlei Reduktionsziele – nicht einmal langfristig – gibt. Das Auslaufen eines einzigen, 35 Jahre alten Kohlekraftwerksblocks in Boxberg würde Sachsens CO2-Bilanz deutlich stärker verbessern als die Umsetzung des ganzen, bestehenden Energie-und Klimaplans. Auch im jüngsten Koalitionsvertrag von CDU und SPD in Sachsen sucht man Aussagen zur Verbesserung der Klimaschutzziele vergebens, obwohl Ausbauziele für regenerative Energien in Sachsen auf das bundesgesetzlich vorgegebene Niveau angepasst werden sollen. Die Aussagen des Weltklimarates zum globalen Ende der Kohle bis Mitte des Jahrhunderts und zur Dringlichkeit des Handelns sind unmissverständlich klar. Das führt weltweit zu rasch wachsendem Druck in Richtung Kohleausstieg. In dieser Situation erklären CDU und SPD in Sachsen ihre Absicht zur unveränderten Fortsetzung der Braunkohlenverstromung und unterzeichnen das politische Todesurteil für weitere sächsische Dörfer, um die Kohleverstromung auch über 2040 hinaus auf unverändert hohem Niveau fortsetzen zu können. Das ist nicht nur ein energie- und klimapolitischer Offenbarungseid. SPD und CDU in Sachsen erklären damit: wir sind nicht in der Lage, aus eigener Kraft politische Blockaden in den eigenen Reihen und in der Reihen von Interessengruppen zu überwinden. Unabhängig von höheren Ausbauzielen bei Erneuerbaren Energien setzen sie weiter auf die Fortsetzung des Geschäftsmodells Kohlestromexport. Dieses Geschäftsmodell funktioniert genau dann, wenn europäischer Klimaschutz nicht funktioniert. Es funktioniert genau dann, wenn bestmöglicher Gesundheits- und Umweltschutz nicht funktioniert. Es funktioniert genau dann, wenn unter Blockade der Energiewende auch weiter Netze durch überschüssigen Kohlestrom verstopft werden. Es funktioniert genau dann, wenn auch weiter die hohen externen Kosten der Kohleverstromung von der Allgemeinheit statt von den Betreibern bezahlt werden. Damit ist die politische Positionierung der neuen, schwarz-roten Staatsregierung in all diesen Fragen bereits vorfestgelegt. Die Verweigerung der schwarz-roten Koalition, einen gangbaren Pfad des Einstieges in den Kohleausstieg zu suchen, bedeutet damit automatisch auch weitere Jahre der Blockade wirksamen Klimaschutzes in Sachsen. Komplette Handlungsverweigerung in einer Zeit dringenden Handlungsbedarfes – bei einem der wichtigsten Themen unserer Zeit – das war für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in den Sondierungen nach der jüngsten Landtagswahl nicht akzeptabel und das bleibt für uns auch in den kommenden fünf Jahren inakzeptabel. Wir und unsere Kinder können es uns nicht leisten, zu warten, bis CDU und SPD ihre internen Probleme bei der Wahrnehmung der Realität lösen. Aktiver Klimaschutz kann nicht warten.
Neue Kurssetzung bei Vattenfall: Chancen nach der schwedischen Reichstagswahl
Nach den Parlamentswahlen in Schweden soll der staatliche Energiekonzern Vattenfall klimaschutzgerecht ausgerichtet werden - mit einem Zielportfolio 100 Prozent Erneuerbare Energien. BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN in Sachsen sehen in der möglichen Neuausrichtung eine Chance für Sachsen und für Vattenfall, die entschlossen genutzt werden sollte. Vattenfall als großes, internationales Energieunternehmen kann damit zu einem Partner der Energiewende in Deutschland werden. Besonders in Sachsen, wo unter der schwarz-gelben Koalition großer Rückstand beim Ausbau Erneuerbarer Energien und beim Vorantreiben der Energiewende entstanden ist, können sich für das Unternehmen, die Region und die Menschen neue Chancen eröffnen. Sachsen könnte gemeinsam mit Vattenfall einen Strukturwandel in der Lausitz einleiten und bestehende Arbeitsplätze erhalten und neue schaffen. In Dänemark und Schweden gehört Vattenfall nach eigenen Angaben zu den „führenden Entwicklern und Betreibern von Windenergieanlagen“.
Denn eines der Nachhaltigkeitsziele Vattenfalls ist „das Wachstum erneuerbarer Energiequellen über dem Branchendurchschnitt voranzutreiben“. In den nächsten fünf Jahren will der Konzern 1, 2 Milliarden Euro in Europa im Bereich Windenergie investieren. Zu seinem Kerngeschäft gehören aber auch die Wasserkraft und die Biomasse.
Um seiner Verantwortung gerecht zu werden sollte sich Vattenfall auch dem Geschäftsfeld Braunkohlesanierung zuwenden. Dass man hier Arbeitsplätze schaffen kann, zeigen die Investitionen aus vergangenen Jahren: Von 1990 bis 2009 wurden in der Braunkohlesanierung 8, 8 Milliarden Euro an Bundes- und Landesmitteln investiert (Quelle: LMBV, 2010).
Die Bruttoanzahl der Beschäftigten in den erneuerbaren Energien lag 2013 in Sachsen bei rund 9 je 1000 Beschäftigte, in Brandenburg dagegen bei rund 19 und in Sachsen-Anhalt bei rund 27. Tausende zukunftsfähige Arbeitsplätze in Sachsen wurden hier bislang bewusst nicht geschaffen! Sie könnten nun entstehen, wenn durch Einstieg in den Kohleausstieg der Weg für die sächsische Energiewende frei gemacht würde.
Risiken eines möglichen Verkaufs der Braunkohlesparte durch Vattenfall
Während Vattenfall bereits in den letzten Jahren über Beendigung des Engagements im Braunkohlengeschäft nachgedacht hatte, trieb das Unternehmen in Abstimmung mit der Staatsregierung die rechtlichen Voraussetzungen für Tagebauerweiterungen voran, auch um den Unternehmenswert für Verkaufsszenarien zu steigern. Obwohl der schwarz-gelbe Braunkohlenplan für den Tagebau Nochten vor Gericht beklagt wird, reichte Vattenfall am 27. Oktober 2014 auf Basis dieses Braunkohlenplanes bei der sächsischen Bergbehörde den Rahmenbetriebsplan für das Abbaugebiet Nochten 2 zur Genehmigung ein. Das geschah bezeichnenderweise wenige Tage nachdem SPD und CDU in Sachsen in ihrem Koalitionsvertrag die Abbaggerung weitere Dörfer ausdrücklich befürwortet hatten.
Damit ist klar: ein Rückzug von Vattenfall aus der Lausitz beendet aus Sicht der schwarz-roten Regierungskoalition das Thema Braunkohleabbau keineswegs. Vielmehr strebt die Staatsregierung eine „Lösung“ an, bei der die Ausbeutung der Lausitzer Kohlelagerstätten, die Erzeugung von Braunkohlestrom überwiegend für den Stromexport und die Abbaggerung weiterer Dörfer ohne Enddatum fortgesetzt wird. Ganz im Gegensatz zu den aus Schweden geäußerten Intentionen wäre damit weder dem Klimaschutz noch den von Umsiedlung betroffenen Menschen geholfen. Mit dem Verkauf der Braunkohlesparte an einen anderen Konzern oder Finanzinvestor könnte sogar eine Ausweitung des Braunkohlengeschäftes einhergehen. Auch für die Beschäftigten von Vattenfall sowie für viele bisherige Empfänger von Leistungen des Konzerns in der Lausitz wäre der Verkauf mit großen Unsicherheiten verbunden.
Die Hoffnung der sächsischen Staatsregierung auf einen Verkauf der Braunkohlensparte an Dritte stößt jedoch auf Hindernisse: angesichts unklarer Geschäftsperspektiven bei der Braun-
kohleverstromung und unkalkulierbarer Risiken durch Bergbaufolgen dürfte sich für Vattenfall die Suche nach zahlungswilligen Käufern schwierig gestalten. Wir wenden uns entschieden dagegen, einen solchen Verkaufsprozess durch irgendwelche Zusicherungen durch den Freistaat Sachsen zu befördern, mit denen uns und unseren Kindern Risiken aufgebürdet würden!
Schwarz-Rot handelt unverantwortlich gegenüber Mensch und Umwelt
Ein schrittweises Auslaufen der klimaschädlichen Braunkohlenförderung befindet sich sowohl im Einklang mit den Empfehlungen des Sachverständigenrates für Umweltfragen der Bundesregierung (SRU) als auch des Deutschen Institutes für Wirtschaftsforschung (DIW). Danach werden die Auslastung der Kohlekraftwerke und die Jahresförderung der Tagebaue schrittweise sinken. Zugleich würden wir mit einem schrittweisen Ausstieg aus der Kohleverstromung unseren Beitrag zum neuen internationalen Klimaschutzabkommen leisten. So müssen zwei Drittel der weltweiten fossilen Energievorräte unter der Erde bleiben, um zu verhindern, dass sich die Erde um mehr als 2 Grad Celsius erwärmt.
Der schwarz-rote Koalitionsvertrag weist jedoch in die komplett entgegengesetzte Richtung. Während andere Industrieländer beschleunigt aus der Kohle aussteigen und selbst die schwarz-rote Bundesregierung denkt öffentlich über eine Abschaltung der immensen Kohlekraftwerksüberkapazitäten nachdenkt, klammern sich CDU und SPD in Sachsen an ihre Planungen von Tagebauerweiterungen und weiteren Umsiedlungen.
Wirksame Klimaschutzziele in Sachsen sind zwingend an die verbindliche Festlegung eines Kohleausstiegspfades gebunden. Folgerichtig verweigern CDU und SPD in Sachsen jede ernsthafte Diskussion über Klimaschutzziele. Das ist unverantwortlich!
Schrittweisen, sozialverträglichen Kohleausstieg in der Lausitz als Ziel setzen und Strukturwandel aktiv gestalten
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Sachsen sehen ähnlich wie der grüne, schwedische Regierungspartner Vattenfall in der Pflicht, aufgrund der über Jahrzehnte empfangenen indirekten Subventionen und seinen Milliardeneinnahmen aus der Braunkohle in Sachsen den schrittweisen, sozialverträglichen Ausstieg aus der Braunkohle selbst in die Hand zu nehmen. Der Konzern hat die Verantwortung, sich selbst um die Beseitigung der Bergbaufolgen zu kümmern. Auf diesem Weg ist Vattenfall willkommen, den Umstieg auf erneuerbare Energien in Sachsen mitzugestalten. So kann die Lausitz Energieregion bleiben und trotzdem ihre einseitige Abhängigkeit von der Kohle Schritt für Schritt reduzieren.
Eine verantwortungsvolle sächsische Energiepolitik muss Vattenfall beim Umsteuern unterstützen. Ziel muss es sein, den schwedischen Staatskonzern als Akteur beim notwendigen Umbau der Energiebranche in der Lausitz zu halten, anstatt wie bisher der Region durch das Festhalten an überkommenen Strukturen die Entwicklungschancen zu verbauen. In den bereits aufgeschlossenen Tagebauen steht ausreichend Braunkohle für den Auslaufbetrieb der existierenden Kraftwerksblöcke in einem schrittweisen Ausstiegsprozess zur Verfügung.
Die Grundsatzentscheidung zum Einstieg in den Kohleausstieg muss in Sachsen getroffen werden. Diese Verantwortung können der Staatsregierung keine ausländische Regierung und kein hier tätiger Konzern abnehmen. Das heißt: Keine neuen Tagebaue, keine neuen Kraftwerksblöcke, die alten schrittweise vom Netz. Die Grundlage für einen erfolgreichen Strukturwandel in der Lausitz ist diese Grundsatzentscheidung. Denn wenn ein Industriezweig wie die Braunkohle so stark dominiert, können sich notwendige Alternativen schlecht entwickeln.
Wir werden unter Moderation durch den Landesvorstand die Weiterentwicklung vorhandener Positionspapiere zu einem grünen Konzept für die heutigen Braunkohlenreviere mit Schwerpunktsetzung in der Lausitz vorantreiben. Die Chancen dieser Regionen, im Zuge eines geregelten, sozialverträglichen Kohleausstiegs Beschäftigung und wirtschaftliche Teilhabe für die Menschen zu schaffen, müssen konkret werden. Wir werden grüne Vorschläge erarbeiten für eine nachhaltige Zukunft der Lausitz als Energieregion. Wir werden unsere Ideen einbringen unter anderem zur Stärkung der überwiegend kleinen und mittelständischen Wirtschaft, zu Bildung und Mobilität, zu Tourismus und Kultur.
Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Sachsen folgt daraus:
1. Wir lehnen, wie die Grünen in Brandenburg und Schweden, einen Verkauf zum Zwecke der Fortführung durch Dritte ab. Sollte Vattenfall sich zum Verkauf seiner Braunkohlensparte oder einzelner Teile davon entschließen, so fordern wir von der Staatsregierung: Keinerlei Übernahme von Risiken, Bürgschaften oder Haftungen durch den Freistaat Sachsen. In Anbetracht der zusätzlichen Risiken nach einem Betreiberwechsel müssen im Gegenteil alle bestehenden bergrechtlichen Möglichkeiten genutzt werden, um von einem eventuellen neuen Betreiber vollumfängliche Sicherheitsleistungen für die Beseitigung von Bergbaufolgen einzufordern. Ein neuer Betreiber ist selbstverständlich auch allein verantwortlich, dass Verträge und Versorgungszusagen Vattenfalls für Mitarbeiter und Region eingehalten werden.
2. Eine etwaige Beteiligung des Freistaats Sachsen an einer Betreibergesellschaft ist undenkbar, solange kein rechtssicherer Ausstiegsplan aus der Braunkohle existiert. In umgekehrter Reihenfolge bestünde die Gefahr, dass Haushaltszwänge die politische Entscheidungsfähigkeit einer künftigen Staatsregierung zum Kohleausstieg in unabsehbare Ferne rücken. Die heutige Staatsregierung, die einen besonders rücksichtslosen Kurs zur zeitlich und räumlich unbegrenzten Fortführung des Kohlestromexport- Geschäftsmodells fährt, zu einer Beteiligung aufzufordern, hieße geradezu, "den Bock zum Gärtner zu machen". Angesichts der Tatsache, dass bereits heute bekannt ist, dass die Rückstellungen für Beseitigung der Bergbaufolgen nicht ausreichen werden, gilt auch nach einem rechtssicheren Kohleausstiegsplan: äußerste Vorsicht bei etwaigen staatlichen Engagements zur Abwicklung des Ausstiegs! Angesichts der ökonomischen Perspektiven der Braunkohleverstromung und der Unkalkulierbarkeit von Ewigkeitskosten droht ein wirtschaftliches Desaster.
3. Wir GRÜNE fordern die Staatsregierung zur Aufnahme von Gesprächen mit der schwedischen Regierung mit dem Ziel auf, einen Ausstiegsfahrplan aus der Kohleverstromung in der Lausitz und im Kraftwerk Lippendorf gemeinsam mit Vattenfall auszuarbeiten. Nur klare Aussagen zum Laufzeitende der einzelnen Kraftwerksblöcke schaffen Planungssicherheit für alle Beteiligten!
4. Wir GRÜNE fordern den raschen und verbindlichen Einstieg in die Verringerung der Kohleverstromungskapazität in Sachsen als Beitrag zur entschlossenen Senkung des hohen sächsischen CO2-pro-Kopf-Ausstoßes.
5. Die Lausitz braucht staatliche Unterstützung für den dringend notwendigen Strukturwandel und die Diskussion der Mitwirkungsmöglichkeiten von Vattenfall.
6. Keine weiteren Umsiedlungen für die Braunkohle! Stopp aller landesplanerischen und bergrechtlichen Aktivitäten zur Genehmigung der Ausweitung der existierenden Tagebaue. Wir GRÜNE setzen uns für den Schutz des sorbischen Siedlungsgebietes ein und unterstützen die Akteure vor Ort. Der Schutz des sorbischen Siedlungs-, Sprach- und Kulturgebietes hat für uns eine besondere Bedeutung. Wir lehnen die Instrumentalisierung der Sorben zur Rechtfertigung weiteren Braunkohleabbaus in der Lausitz, wie durch den sächsischen Ministerpräsidenten geschehen, ab.
7. Wir GRÜNE fordern, über den Bundesrat einen bundesweiten Kohleausstiegsplan zu forcieren sowie Bergrechtsänderungen zu unterstützen, mit denen neue Tagebaue ausgeschlossen werden sowie Beweislastumkehr bei Bergschäden eingeführt wird.
Beschluss als PDF