Religionsfreiheit leben, Feiertagsgesetz reformieren

Seit jeher ist Glaube Teil unserer Gesellschaft. Glaube und Religion formen und verändern die Gesellschaft stetig. Religion als Sammelbegriff für bestimmte Arten den individuellen Glauben und die eigene Spiritualität auszudrücken, ist der Ursprung vieler Traditionen und moralischer Vorstellungen. Religion vermittelt Halt und gibt Gemeinschaft. Da sie so unmittelbar Teil der Gesellschaft ist, ist sie sowohl im Grundgesetz, als auch in der sächsischen Verfassung geschützt. Jeder Mensch soll in einer freien demokratischen Gesellschaft seine Religion ungestört ausüben können. In der Mehrheit haben in den vergangenen Jahrhunderten vor allem Christinnen und Christen als größte Religionsgemeinschaft Sachsen bevölkert. Staatsreligion war bis zur Begründung der Weimarer Reichsverfassung 1919 daher das Christentum. Mit der Ausrufung der Weimarer Republik änderte sich jedoch das Verhältnis von Staat und Kirche grundlegend. In Deutschland gibt es zwar keinen Laizismus, Religion ist also nicht ausschließlich Privatsache. Stattdessen wird Religion als Teil der Öffentlichkeit angesehen, ist jedoch nicht Sache des Staates. Aus diesem Grund gibt es an einigen Stellen Verschränkungen zwischen Staat und Kirche. Der allgemein freie Tag in der Woche ist aus christlicher Tradition heraus der Sonntag. Im Dresdner Kommunalwahlkampf haben wir GRÜNE dafür gekämpft, dass Geschäfte am Sonntag geschlossen bleiben. Denn es ist richtig, dass es einen festen Tag gibt, an dem die meisten Menschen gemeinsam zur Ruhe kommen können. Da wir als BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN für eine bessere Zeitpolitik stehen, in der Familie, Freund*innen und Beruf vereinbart werden können, soll das auch für Verkäufer*innen im Einzelhandel gelten. In den letzten 50 Jahren fand außerdem eine gänzlich neue Entwicklung statt. Während der Zeit der DDR Diktatur haben viele Menschen im Osten Deutschlands ihre Religionszugehörigkeit gänzlich abgelegt. Gründe dafür liegen unter anderem darin, dass unter der atheistischen Staatsideologie der DDR gegen Mitglieder christlicher Kirchen und Religionsgemeinschaften repressiv vorgegangen und sowohl die Ausübung als auch das Wissen über die Religion aus der Öffentlichkeit heraus gedrängt wurde. Die Mehrheit der Menschen in Sachsen ist daher heute konfessionslos. Dennoch ist das sächsische Feiertagsgesetz christlich geprägt. Bis auf den Tag der Arbeit, den Tag der deutschen Einheit, den Volkstrauertag und Neujahr haben alle Feiertage einen christlichen Ursprung. Einen speziellen Fall bilden die sogenannte Gedenk- und Trauertage, also Volkstrauertag und der Totensonntag, sowie der Karfreitag und der Buß- und Bettag. An diesen Tagen sind nach § 6 des sächsischen Feiertagsgesetzes „öffentliche Veranstaltungen, die dem ernsten Charakter dieser Tage zuwiderlaufen“ verboten. Die Gesetzgebung spiegelt hier mit einem Verbot von Feiern nicht die Lebenswirklichkeit der meisten Menschen wieder. Das religiöse Erleben der Feiertage hat für viele Menschen keinen großen Stellenwert mehr. Sie nutzen diese Tage, um sich zu entspannen oder anderweitig die Freiheit, die ein freierTag mit sich bringt zu genießen. Und sie nutzen den Tag unter anderem auch, um zu Feiern und Tanzen zu gehen. Insbesondere jüngere Menschen erfahren von einem Tanzverbot häufig erst, wenn beispielsweise am Karfreitag 00:00 Uhr die Musik ausgeht und die Polizei die Veranstaltung beendet. Aus einem etwas anderen Blickwinkel zu betrachten ist der Volkstrauertag, ebenfalls ein stiller Gedenktag. Er ist kein christlicher, sondern ein staatlicher Feiertag. An diesem Tag soll ein kollektives Erinnern an die Kriegstoten und Opfer der Gewaltherrschaft aller Nationen stattfinden. Aus diesem Grund wäre es nicht angebracht an diesem Tag öffentlich zu Feiern. Dem entgegen steht jedoch, dass es eine Reihe von Tagen gibt, an denen ein kollektives Erinnern stattfindet, ohne dass dafür ein Verbot von anderen Veranstaltungen nötig wäre. So zum Beispiel der 9. November, der Jahrestag der Reichsprogromnacht. Die Rechte aller Menschen im Freistaat Sachsen werden an den stillen Gedenktagen, sowie am Karfreitag und Buß- und Bettag sehr viel erheblicher, als an Sonntagen und anderen gesetzlichen Feiertagen eingeschränkt. Besonders das Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit nach Art. 2 I Grundgesetz ist betroffen. Es gibt also kein Grundrecht auf Feiern, wie so oft als Argument gegen eine Änderung des Gesetzes gebracht wird. Aber es gibt ein Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit. Dieses wird durch das Verbot von öffentlichen Tanzveranstaltungen und anderen öffentlichen Vergnügungen, die dem ernsten Charakter der „stillen Feiertage“ zuwiderlaufen, eingeschränkt. Eine Einschränkung von Grundrechten muss aber immer durch ein überwiegendes öffentliches Interesse oder durch den Schutz der Grundrechte bestimmter Gruppen oder Individuen begründet sein. Durch unsere rechtsstaatsliberalen Überzeugungen sind wir der Meinung, dass der Staat nicht ohne triftigen Grund in die individuellen Grundrechte von Bürger*innen eingreifen darf. Der Grund eines Feierverbots ist hier nicht ersichtlich. Es ist nicht Aufgabe des Staates dem Individuum bestimmte Verhaltensweisen grundlos vorzuschreiben.Dem Schutz von religiösen Veranstaltungen wird bereits in § 5 des Sächsischen Feiertagsgesetz mit einem Verbot störender Veranstaltungen in der Nähe von Gotteshäusern Sorge getragen. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Sachsen fordern eine Änderung des § 6 des Sächsischen Feiertagsgesetzes. Wir treten dafür ein, dass eine Abwägung zwischen den Rechten der christlichen Gläubigen und denen der Konfessionslosen und Andersgläubigen vorgenommen wird. Ein vorläufiges Ergebnis dieses Abwägens könnte die Einschränkung des Verbots öffentlicher Tanzveranstaltungen und anderer öffentlicher Vergnügungen sein, indem der Freistaat sich an den Regelungen, die in der Berliner Feiertagsverordnung oder im Bremer Feiertagsgesetz festgeschrieben sind, orientiert, wonach das Verbot erst in den frühen Morgenstunden greift und am Abend endet. Außerdem ist zu erwägen, Sportveranstaltungen zuzulassen, sofern sie nicht mit Unterhaltungsmusik oder Unterhaltungsprogrammen verbunden sind. Wir treten dafür ein öffentliche Vergnügen, sowie Tanz- und Sportveranstaltungen auch an den sogenannten "stillen" gesetzlichen Feiertagen zu erlauben, so fern sie nicht in der unmittelbaren Nähe und Hörweite von Gotteshäusern stattfinden. Mit § 5 des Sächsischen Feiertagsgesetzes wird dafür Sorge tragen, dass das Grundrecht auf ungestörte Religionsausübung nach Art. 4 II Grundgesetz gewahrt bleibt.

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