Die Diskussion um das Für und Wider eines deutschen und europäischen Boykotts der Öl-, Gas- und Kohleeinfuhren aus Russland wurde in den letzten Wochen intensiv in der Bundes- und Landesregierungen, Parlamenten und Medien geführt, droht nun jedoch angesichts des aktuellen Handelns der russischen Regierung überholt zu werden. Vielmehr müssen auch wir in Sachsen uns darauf einstellen, dass durch Russland selbst entweder die Lieferungen der Energieträger eingestellt werden oder die Konditionen dafür ökonomisch oder politisch nicht mehr tragbar sind. Somit führt kein Weg an einer detaillierten Auseinandersetzung mit den Auswirkungen eines möglichen Einfuhrstopps fossiler Brennstoffe aus Russland auf die sächsische Bevölkerung, Infrastruktur und Industrie vorbei.
- Die in der Debatte aufgezeigten Positionen aus Wissenschaft und Politik müssen dafür
- auf fachliche Korrektheit geprüft und zusammengeführt werden, (Gas/ Öl/ Steinkohle/ Braunkohle/ Infrastruktur),
- um eine spezifische Betrachtung von energie-, wirtschafts- sozial- und gesellschaftspolitischen Implikationen auf den Standort Sachsen erweitert,
- auf die unterschiedlichen Handlungsspielräume der kurz-, mittel-, und langfristigen Perspektive der Energiesicherheit konkretisiert werden.
Die Annahme, dass Sachsen durch den noch laufenden Braunkohleabbau abgesichert ist, führt in die Irre, denn mit der Energie aus Braunkohle wird hauptsächlich der Stromsektor versorgt, während Gas für die sächsische Industrieproduktion und Gebäudewärme aktuell noch unverzichtbar ist. Der auslaufende Fernwärmebezug aus Braunkohlenkraftwerken spielt eine untergeordnete Rolle. Der Bezug russischen Öls durch ostdeutsche Raffinerien über Überlandleitungen für Öl und Gas (sogenannte „Drushba") führt zudem zu einer infrastrukturell bedingten Abhängigkeit, die kurzfristig durch Alternativen aufgefangen werden müsste. Während für die Bundesebene bereits einige wissenschaft-
liche Studien und Szenarioberechnungen hinsichtlich der wirtschaftlichen Entwicklung für den Fall eines Importstopps für russisches Gas und Öl erstellt wurden, können die potenziellen Folgen für Sachsen aktuell nicht abgeschätzt werden. Die Fokussierung aktueller Untersuchungen auf die Auswirkungen auf das Bruttoinlandsprodukt müssen um weitere wirtschafts- und gesellschaftspolitische Fragestellungen erweitert werden, die auch regionale Bezüge mit einschließen:
- Welche Mengen an Gas und Öl sind notwendig, um zumindest die Funktionsweise einer zu definierenden kritischen Infrastruktur sicherzustellen?
- Welche Substitutionsmöglichkeiten sind kurzfristig für die Gas- und Ölbedarfe bei einem Ausfall Russlands als Lieferant zu erschließen?
- Welche Effizienzmaßnahmen sind in welchen Lebensbereichen zwingend notwendig, um nicht komplette Industriezweige in Sachsen zu zerstören?
- Wie kann die aktuelle Situation als Booster für den Ausbau erneuerbarer Energien in Sachsen genutzt werden?
Wie könnten die Folgen für die Bevölkerung abgemildert und insbesondere die Menschen mit geringen Einkommen vor Energiearmut geschützt werden?
- Wie soll die Kommunikation gegenüber der Bevölkerung bei einer möglichen Energiekrise gestaltet werden?
Welche Vorbedingungen müssen nach Sicht der Landesregierung für eine Aktivierung des Notfallplans Gas erfüllt sein, die sowohl das Bewusstsein der Bevölkerung entsprechend schärft, als auch die Vorbedingung für weitreichendere Eingriffe darstellt?
Daher fordert der Landesparteirat von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Sachsen die Bundesregierung und die sächsische Landesregierung auf, sich intensiv mit den Auswirkungen eines Importstopps von Öl und Gas aus Russland nicht nur für die Bundesrepublik, sondern auch für Sachsen auseinanderzusetzen und Maßnahmenpläne (so sie noch nicht existieren) gemeinsam zu erarbeiten, um die kritische Infrastruktur aufrecht zu erhalten und die Folgen für die Bevölkerung und die Industrie zu minimieren. Gleichzeitig soll eine breit angelegte Informations-kampagne zu notwendigen Energieeffizienzmaßnahmen im Haushalt und am Arbeitsplatz durch die Landesregierung begonnen werden um einerseits das Bewusstsein für die kritische Situation herzustellen und andererseits Energie zu sparen. Ziel ist es, schnellstmöglich die Boykottfähigkeit herzustellen.
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