In Sachsen lag der Anteil erneuerbarer Energien an der gesamten Stromerzeugung im Jahr 2019 bei 25,2%. Kein anderes deutsches Flächenland hat es 2020 geschafft, weniger Windenergie neu ins Netz zu bringen als Sachsen. Es wurden 2 Anlagen mit einer Leistung von 5,6 MW neu ange-schlossen, während im dynamischsten Bundesland (NRW) 279,2 MW und selbst im kleinen Saar-land 24,9 MW zugeschaltet wurden (1). Der Netto-Zubau im ersten Halbjahr 2021 war sogar ne-gativ: 4 Anlagen mit einer Leistung von 4,1 MW gingen aus dem Betrieb.
Sachsen liegt auch beim Gesamtausbau erneuerbarer Energien mit dem Saarland und Thüringen auf den letzten Plätzen der Flächenländer. Damit waren Ende 2020 in Sachsen insgesamt Wind-kraftanlagen mit einer Leistung von 1.264 MW installiert (zum Vergleich: Thüringen 1.672 MW, Sachsen-Anhalt 5.253 MW, Brandenburg 7.464 MW, Mecklenburg-Vorpommern 3.492 MW) (1).
Aus wirtschaftspolitischer Sicht ist diese Geschwindigkeit unzureichend. Sachsen riskiert die Ab-wanderung energieintensiver Betriebe und den Verlust der entsprechenden Arbeitsplätze. Für die Industrieunternehmen entwickelt sich die lokale Verfügbarkeit erneuerbaren Stroms zum Stand-ortfaktor. Die Nutzung der fossilen Energieträger wie Braunkohle, Gas und Öl wird durch den steigenden CO2-Preis sowie den allgemeinen Preisanstieg auf den weltweiten Energiemärkten zunehmend unrentabel. Eine kostengünstige Stromversorgung für Sachsens Industrie kann nur über einen deutlich schnelleren Ausbau erneuerbarer Energie gewährleistet werden. Strom aus Wind- und Photovoltaikanlagen ist heute schon wesentlich günstiger als aus Braunkohlekraft-werken. Photovoltaikparks ermöglichen außerdem gleichzeitig eine extensive landwirtschaftliche Nutzung.
Der Mangel an erneuerbaren Energien macht die Ansiedlung zukunftsträchtiger energieintensiver grüner Technologieunternehmen unmöglich, da deren Geschäftsmodelle und Wettbewerbsfähig-keit auf einer klimaneutralen Produktion aufbauen. Es ist nicht zu erkennen, dass das im Koaliti-onsvertrag prioritär genannte Ziel („Sachsen soll Energie- und Industrieland bleiben ... Das ge-lingt, wenn wir Innovation und Nachhaltigkeit zusammenbringen ...“) (3) von der sächsischen CDU, insbesondere deren Landtagsfraktion, ernsthaft verfolgt wird.
Im Zuge des 2021 verabschiedeten Energie- und Klimaprogramms der sächsischen Regierung sollen die Kapazitäten für die Erzeugung erneuerbarer Energien bis zum Jahr 2030 um 10 Tera-wattstunden (TWh) Jahreserzeugung gegenüber 2019 ausgebaut werden. Für das Jahr 2024 wur-de ein "Zubau-Zwischenziel" von 4 TWh Anlagenleistung an erneuerbaren Energien spezifiziert, wovon der Hauptteil durch Windenergie gewonnen werden soll (2). Sachsen hat sich gegenüber dem Bund-Länder-Kooperationsausschuss verpflichtet, im Bereich der erneuerbaren Stromerzeu-gung bis zum Jahr 2024 Kapazitäten in Höhe von 10,38 TWh/a (4,40 – Wind; 1,75 – Biomasse; 3,98 – PV; 0,25 – Wasser) aufzubauen (1).
Allerdings berücksichtigen die im EKP festgelegten quantitativen Ausbauziele nicht den steigen-den Energiebedarf in den Bereichen Wärme- und Kälteversorgung sowie Verkehr (zunehmende Elektromobilität mit Bahn, Bussen und im Individualverkehr). Eine Strombedarfsprognose unter Berücksichtigung zunehmender Bedarfe in allen Lebensbereichen und der idealerweise 2030 endenden Braunkohleverstromung ist jedoch dringend notwendig.
Der Ausbau der erneuerbaren Energien kann zu einem noch stärkeren Wirtschaftsfaktor für Sach-sen werden, wenn die Beauftragung regionaler Unternehmen mit der Umsetzung bei fachlicher Eignung vom Freistaat Sachsen unterstützt wird. Außerdem sollten Gemeinden, auf deren Gemar-kung die Anlagen errichtet werden, über die Kommunalabgabe hinaus von diesen profitieren, z.B. durch niedrigere Tarife.
Forderungen
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Sachsen setzen sich dafür ein, dass
- die Ausbauziele für 2030 angepasst werden, um den marktgesteuerten Rückgang der Kohleverstromung durch erneuerbare Energien auszugleichen
- 2% Fläche für Windenergieanlagen ausgewiesen wird, z.B. durch eine umfassende Reform des Landesplanungsrechts, das den Kommunen die Möglichkeit gibt, unabhängig von ak-tuellen Regionalplänen Windkraftanlagen zu errichten
- der Ausbau der Photovoltaik mit Priorität auf mehrfach genutzte Flächen, wie z.B. bei gleichzeitiger Verbesserung der Biodiversität oder in Kombination mit Landwirtschaft (Agri-PV), sowie nach transparenter Abwägung gestärkt wird
- wissenschaftlich fundierte Szenarien zur Deckung des Energie- und Strombedarfs für ein vollständig klimaneutrales Sachsen unter Berücksichtigung eines Zwischenstandes im Jahr 2030 und unter Berücksichtigung des Imports erneuerbarer Energien sowie der sächsischen Wasserstoffstrategie aufgestellt werden,
- die von der Landesregierung beschlossene sektorspezifische Maßnahmenplanung zur Er-reichung der EKP-Vorgaben forciert wird und bei deren Erarbeitung die Zivilgesellschaft und Vertreter:innen der Wirtschaft beteiligt werden,
- Hindernisse für den Ausbaufortschritt der erneuerbaren Strom- und Wärmeerzeugung fortlaufend identifiziert und öffentlich kommuniziert werden,
- beim Aufbau von Wind- und Solaranlagen eine hohe regionale Wertschöpfung realisiert wird.
Referenzen
(1) Bericht des Bund-Länder-Kooperationsausschusses zum Stand des Ausbaus der erneuerbaren Energien sowie zu Flächen, Planungen und Genehmigungen für die Windenergienutzung an Land an die Bundesregierung gemäß § 98 EEG 2021 Berichtsjahr 2021 22. Oktober
https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Downloads/E/EEG-Kooperationsausschuss/2021/bericht-bund-laender-kooperationsausschuss-2021.pdf?__blob=publicationFile&v=4
(2) Sächsisches Staatsministerium für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft (SME-KUL), 2021, Energie- und Klimaprogramm 2021, Dresden, S. 47-48
(3) Koalitionsvertrag Sachsen 2019-2024, S. 26
Der Beschussantrag wurde erarbeitet durch die LAG Wirtschaft.
Beschluss als PDF