Anlässlich der Christopher-Street-Days in Leipzig und Pirna sowie des SchwulLesbisch-BiHeteroTrans-Parkfestes in Chemnitz thematisiert der Landesparteirat von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN aktuelle Tendenzen religiös begründeter Diskriminierung in Sachsen und wirbt für eine Atmosphäre des respektvollen Miteinanders.
Vor 22 Jahren hat die Weltgesundheitsorganisation Homosexualität von der Liste der psychischen Krankheiten gestrichen. Unterschwellige und offene Vorbehalte gegen Lesben, Schwule, Bi- oder Transsexuelle sind in Sachsen trotzdem noch weit verbreitet. Aktuell sorgen homophobe Äußerungen von Kommunalpolitikern, aber auch die Frage, ob eine homosexuelle Beziehung im Pfarrhaus gelebt werden darf, für große Diskussion in Sachsen. Gerade religiöse Haltungen zu Homosexualität bieten Raum für unterschwellige Diskriminierung: Angefangen von der Vorstellung, man könne die "kranken" Schwulen oder Lesben „gesund beten“, über die Vorstellung, Homosexualität sei Sünde und außerhalb der göttlichen Ordnung bis hin zu fragwürdigen, gefährlichen „Therapie-“ und Umpolungsangeboten fundamentalistischer Organisationen - religiöse Haltungen bieten oft die Grundlage dafür, dass Menschen wegen ihrer Geschlechtsidentität oder sexuellen Orientierung herabgewürdigt und ungleich behandelt werden.
Für freie Religionsausübung
Für das Handeln einiger homophober Eiferer dürfen Religionsgemeinschaften nicht in ihrer Gesamtheit in Haftung genommen werden. Wir wenden uns entschieden gegen die pauschale Diskreditierung gläubiger Menschen und religiöser Gruppen. Die Toleranz gegenüber freier Religionsausübung erreicht aber für uns ihre Grenzen, wenn Christinnen und Christen ein Klima der Intoleranz gegenüber Homosexuellen schüren. Wir begrüßen es daher, wenn Gemeinde- oder Kirchenleitungen dem aktiv entgegentreten und sich zu Wort melden, damit nicht der Eindruck erweckt wird, dieses Klima wäre normal. Egal ob aus dumpfem Vorurteil oder aus religiösen Auffassungen: Intoleranz gegenüber Homosexuellen ist nicht hinnehmbar. Dies gilt auch für Kirchen und Religionsgemeinschaften.
Menschenfeindliche Haltungen nicht dulden
Mit Sorge sehen wir, dass gerade die sächsischen CDU seit vielen Jahren die Gleichstellung Homosexueller ablehnt und klare Positionen vermeidet, offenbar um der Auseinandersetzung mit rechtskonservativen oder homophoben Strömungen in den ländlichen Kreisverbänden aus dem Weg zu gehen. Wir erkennen das Bemühen an, Menschen aus diesen Strömungen im demokratischen Parteienspektrum zu halten. Es kann aber kein Weg der Integration sein, menschenfeindliche Haltungen zu dulden oder ihnen nicht klar zu widersprechen, nur damit radikale Mitglieder nicht austreten.
Gleichstellung aller Menschen und ihrer Familien auch im kirchlichen Raum erreichen
Durch eine Neufassung des Gleichbehandlungsgebotes in der Sächsischen Verfassung wollen wir erreichen, dass Menschen unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung und ihrer Geschlechtsidentität gleichgestellt sind und ihre Familien gleich behandelt werden. Wir respektieren das innerkirchliche Recht und die Entscheidungsautonomie von Gemeinden. Wir wollen aber, dass eine derartige Verfassungsänderung auch auf die Kirchen und Religionsgemeinschaften ausstrahlt. Diese müssten dann viele Fragen wie den Umgang mit homosexuellen Familien in öffentlich geförderten Einrichtungen (Sozialeinrichtungen, Kindertagesstätten, Schulen etc.), das Recht von Angestellten ohne besondere religiöse Aufgaben oder selbst die Ausübung des Friedhofsrechts neu bewerten.
Einstellung zu Homosexuellen ist Gradmesser für die Demokratie
In über 70 Staaten wird Homosexualität immer noch strafrechtlich verfolgt. Weltweit agierende religiöse Anti-Gay-Bewegungen mit Wurzeln in den USA haben es geschafft, dass z.B. in Uganda wieder über die Todesstrafe für Homosexuelle diskutiert wird. Aber auch im Osten Europas ist die Lage der Menschenrechte in Bezug auf Homosexuelle bedenklich.
Geschürt wird diese Entwicklung nicht nur von fundamentalistisch-religiösen, sondern auch von rechtsradikalen Kreisen. So verwundert es nicht, dass die sächsische NPD die homophoben Äußerungen von Kommunalpolitikern aus Plauen, Chemnitz und Bad-Lausick als "Ausdruck des gesunden Werteempfindens der großen Volksmehrheit" lobt. Durch den "Homo-Hokuspokus" würde eine "sozialethische Verwahrlosung" entstehen. Der Staat müsse sich als "Hüter der kulturell-sittlichen Ordnung schützend vor die Mehrheit und deren natürliche Sexualmoral zu stellen". Wenn Homosexualität unwidersprochen als krank, verwirrt, unnatürlich oder als Ausdruck ethischer Verwahrlosung bezeichnet wird, trägt dies letztendlich zur Legitimierung von Hass und Gewalt gegen Homosexuelle bei. Vollstrecker der angeblich "gesunden Volksmeinung" finden sich leider auch hierzulande schnell. Wir werben für eine Atmosphäre des respektvollen Miteinanders. Wir nehmen nicht hin, dass homophobe Ideologien, egal wie sie begründet sind, sich in Sachsen weiter ausbreiten. Sie greifen nicht nur Würde und Menschenrechte Einzelner an, sondern sind eine Gefahr für das gesellschaftliche Zusammenleben insgesamt. Die Einstellung zu verschiedener sexueller Identität ist somit ein Gradmesser für die Demokratie - auch in Sachsen.