Die aktuellen Herausforderungen im sächsischen Bildungssystem – wie der Lehrkräftemangel, die marode Infrastruktur und der Mangel an Schulplätzen – führen dazu, dass das Grundrecht auf Bildung für viele Kinder und Jugendliche in Sachsen nicht umgesetzt wird. Stand 12.11.2024 warten laut Angaben des Landesamtes für Schule und Bildung 2012 Kinder und Jugendliche auf einen Schulplatz in Sachsen. Besonders betroffen sind Kinder und Jugendliche mit Fluchthintergrund, die oft monatelang und in manchen Fällen sogar über ein Jahr auf einen Schulplatz warten müssen und somit von Bildung und sozialer Teilhabe ausgeschlossen bleiben. Diese systematische Benachteiligung verletzt nicht nur das Recht auf Bildung, sondern wirkt sich nachteilig auf die gesamte Gesellschaft aus, da die Integration und Förderung aller jungen Menschen essentiell für das gesellschaftliche Zusammenleben sind.
Schuldzuweisungen an ohnehin benachteiligte Gruppen fördern Diskriminierung und verstellen den Blick auf strukturelle Lösungen. Unser Ziel ist eine umfassende, diskriminierungsfreie Reform des Bildungssystems, die auf gemeinsame und konstruktive Lösungen setzt, um Chancengleichheit und Bildungsgerechtigkeit für alle zu gewährleisten.
Vor diesem Hintergrund fordern wir BÜNDNISGRÜNE konkrete und sofortige Maßnahmen zur Beseitigung der Schulplatznot und zur Förderung eines diskriminierungsfreien Bildungszugangs.
1. Recht auf Bildung und Schulplatzgarantie umsetzen: Die sächsische Staatsregierung wird aufgefordert, das Grundrecht auf Bildung und die Schulpflicht für alle Kinder und Jugendlichen, unabhängig von ihrer Herkunft, binnen maximal 3 Monaten nach kommunaler Wohnsitznahme sicherzustellen. Dazu gehört, dass jedem schulpflichtigen Kind und Jugendlichen unverzüglich ein geeigneter Platz im Regelschulsystem zur Verfügung gestellt wird. Jede verzögerte Bereitstellung muss konsequent erfasst werden und zu direkten Maßnahmen führen, um zukünftige verzögerte Schulplatzzuweisungen zu vermeiden. Bildungsgerechtigkeit und das Ziel optimaler Integrationschancen dulden keinen Aufschub.
2. Akute Schulplatzlücke schließen und Infrastruktur verbessern: Um die aktuelle Schulplatznot nachhaltig zu lösen, sollen bedarfsgerecht zusätzliche Schulplätze geschaffen werden. Die dafür nötige Bereitstellung von Schulräumen und Schulhäusern ist eine Pflichtaufgabe der Kommunen und daher unabhängig von der Kassenlage zu erfüllen. Es ist die Aufgabe des Freistaats, die Kommunen finanziell in die Lage zu versetzen, dies zu leisten. Wahlfreiheit und Bildungschancen von Schüler*innen mit Migrationsgeschichte sind gleichwertig. Bei Schulen und Schulformen mit bisher niedrigem Anteil an Schüler*innen mit Migrationsgeschichte sollen dafür die Potenziale an Vorbereitungsklassen ausgeschöpft werden. Mittelfristig ist der Freistaat in der Pflicht, die Klassenbildung so zu gestalten, dass sie der unterjährigen Migration aus dem In- und Ausland gerecht wird. Dabei ist insbesondere sicherzustellen, dass Kinder und Jugendliche nicht aufgrund ihrer Herkunft durch überlange Schulwege oder unpassende Schulformen benachteiligt werden.
3. Ausreichend qualifiziertes Lehrpersonal sichern: Die Staatsregierung wird aufgefordert, alle Maßnahmen zu ergreifen, welche die Ausstattung mit pädagogischen Fachkräften sowie die Attraktivität des Lehrer*innenberufs verbessern. Es sind insbesondere Verfahren zur Anerkennung ausländischer Lehramtsabschlüsse zu beschleunigen und Programme für den Seiten- und Quereinstieg für pädagogische Fachkräfte und Lehrkräfte aus dem Ausland auszubauen. Es müssen Anreize geschaffen und verstärkt werden, damit Lehrkräfte aus anderen Tätigkeits- und Berufsfeldern an die Schulen zurückkehren. Zusätzlich soll weiteres unterstützendes Personal für Verwaltungsaufgaben an Schulen eingestellt werden.
4. Offensive für eine migrationsspezifische Lehrkräftefortbildung starten: Damit Schule in der Migrationsgesellschaft funktioniert, fordern wir eine verpflichtende Fortbildung für alle Lehrkräfte im Bereich „Deutsch als Zweitsprache“ sowie in Migrationspädagogik. Für die Lehramtsstudienfächer fordern wir die Hochschulen auf, diese Kompetenzen stärker in den Studienordnungen zu verankern. Ziel ist es, Schulen zu Orten der Integration und der Chancengleichheit für alle zu machen, den Übergang aus den Vorbereitungsklassen in den regulären Unterricht zu beschleunigen und die Erfüllung der integrationsspezifischen Aufgaben gleichmäßiger zu verteilen.
5. Diskriminierungsfreier Bildungsdiskurs und Schutz vor struktureller Benachteiligung: Die sächsische Staatsregierung wird aufgefordert, in der Bildungspolitik einen diskriminierungsfreien Diskurs zu fördern, der frei von Schuldzuweisungen und problematischen Zuschreibungen ist.
Um dies zu gewährleisten, sollen bestehende Schutzkonzepte an Schulen um verbindliche Maßnahmen zum Diskriminierungs- und Rassismusschutz erweitert werden. Diese Konzepte müssen alle Formen von Gewalt adressieren, einschließlich rassistischer Diskriminierung, die sich psychisch, physisch oder auf andere Weise äußern kann. Das Sächsische Schulgesetz soll um ein explizites Diskriminierungsverbot ergänzt und durch ein landesweites Antidiskriminierungskonzept flankiert werden. Ergänzend dazu sind niedrigschwellige Beschwerdestrukturen und Anlaufstellen für Diskriminierungsfälle an Schulen einzurichten. Das Ziel ist es, ein Schulumfeld zu schaffen, in dem alle Kinder und Jugendlichen unabhängig von Herkunft, sozialem Hintergrund oder anderen diskriminierungsrelevanten Merkmalen gleichberechtigt und respektvoll lernen können. Nur so können Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit für alle verwirklicht werden.