Aktueller Handlungsbedarf in der Flüchtlings- und Asylpolitik

Jedes Jahr zwingen Bürgerkriege, politische Krisen, Verfolgung und andere existenzbedrohende Nöte viele Menschen zur Flucht. Desolate und gefährliche Lebensbedingungen wie in Syrien, Irak oder Eritrea, Diskriminierung und Ausgrenzung wie in Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina oder Angriffe auf religiöse und ethnische Minderheiten wie im Norden des Irak lassen die Flüchtlingszahlen weiter ansteigen. Nach Angaben des Deutschen Institutes für Menschenrechte liegt die Zahl der Flüchtlinge weltweit bei circa 51 Millionen. Mehr als 80 % dieser Flüchtlinge bleiben in der Region ihrer Herkunftsstaaten und stellen die aufnehmenden Länder vor große Herausforderungen. Über 3 Millionen Menschen sind bisher aus Syrien geflohen. Aufnahme fanden sie zum großen Teil im Libanon, in Ägypten, in Jordanien, im Irak und in der Türkei. Nur ein kleiner Teil der Flüchtlinge erreicht Europa. Vor diesem Hintergrund und der Aufnahmeleistung Deutschlands Anfang der 1990er Jahre relativieren sich die steigenden Zahlen der Flüchtlinge, die heute den Weg nach Deutschland und nach Sachsen finden. Für uns ist Flucht kein Verbrechen, sondern Ausdruck von existenzbedrohender Not sowie dem legitimen Wunsch, Lebenssituationen für sich und Familienangehörige zu verbessern. Wir sächsischen GRÜNE lehnen es entschieden ab, dass durch die Benennung weiterer sogenannter "sicherer Herkunftsstaaten" im Asylverfahrensgesetz das individuelle Menschenrecht auf Asyl ausgehebelt wird. Mit der Vermutung, ein Mensch aus einem sogenannten „sicheren Herkunftsstaat“ werde nicht verfolgt, wird der gesetzliche Anspruch auf eine individuelle Prüfung unterlaufen.

Durch die in diesem Jahr erfolgten Einstufung von Mazedonien, Serbien und Bosnien-Herzegowina als „sichere Herkunftsstaaten“ setzt Deutschland seine restriktive, rechtsstaatlich problematische Haltung gegenüber bestimmten Gruppen von Flüchtlingen fort und trägt damit indirekt auch zur Stigmatisierung z. B. von Roma und Sinti bei. Der Beschluss, steht im Gegensatz zur Entschließung zur Lage der Roma durch das Europäische Parlament im Jahr 2005. Hier wurde klargestellt, dass die in Europa lebenden Roma „aus rassistischen Gründen diskriminiert werden, und viele von ihnen schwerer struktureller Diskriminierung“ ausgesetzt sind. Auch deshalb unterstützen wir die Bestrebungen auf Bundesebene, eine Regelung für betroffene Roma aus Bosnien-Herzegowina, Mazedonien, Serbien und Kosovo zu schaffen, sich in Deutschland niederzulassen (Kontingentflüchtlinge). Die von der GRÜNEN Verhandlungsgruppe mit der Bundesregierung ausgehandelte Zugeständnisse sind in der Sache ein Erfolg – so wird die Residenzpflicht endlich auch bundesweit abgeschafft, der Vorrang von Sachleistungen gegenüber Geldleistungen wird auf die Zeit in der Erstaufnahmeeinrichtung begrenzt und die Beschränkungen im Arbeitsmarktzugang für Flüchtlinge werden gesenkt. Zur Lösung der drängenden Probleme im Flüchtlings- und Asylbereich ist darüber hinaus die Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes, die medizinische Versorgung und die finanzielle Beteiligung des Bundes an den Unterbringungskosten für Flüchtlinge und Asylsuchende ebenso wie die Neuregelung der Europäischen Flüchtlingspolitik notwendig. Deutschland muss sich für einen Paradigmenwechsel in der EU-Grenzpolitik, weg von der derzeitigen Abschottungsstrategie, hin zu sicheren und legalen Einreisemöglichkeiten nach Europa stark machen. In Deutschland tragen die Länder und Kommunen die Hauptlast der humanitären Verpflichtungen gegenüber Flüchtlingen. Wir sächsischen GRÜNEN sind der Auffassung, dass auch der Bund stärker als bisher finanzielle Verantwortung für die Flüchtlinge übernehmen muss. Wir unterstützen die Forderung nach einer Nationalen Flüchtlingskonferenz, die sich die Koordinierung aller in Deutschland am Schutz von Flüchtlingen Beteiligten zur Aufgabe macht. Wir sächsischen GRÜNEN fordern deshalb den Sächsischen Landtag und die Sächsische Staatsregierung auf, sich für die Implementierung einer solchen Nationalen Flüchtlingskonferenz einzusetzen und eine analoge Struktur in Sachsen zu ermöglichen. Darüber hinaus fordern wir die sächsische Landesregierung auf, umgehend Verhandlungen mit der AOK Plus oder anderen regionalen Krankenkassen aufzunehmen. Um eine elektronische Gesundheitskarte für Asylbewerber*innen nach dem Bremer Modell aufzunehmen mit dem Ziel, diese in Sachsen jedem Asylbewerber zur Verfügung zu stellen. Trotz der sich abzeichnenden steigenden Zahl von Flüchtlingen und Asylsuchenden und der öffentlichen Diskussion über den daraus resultierenden Handlungsbedarf, hat es die Sächsische Staatsregierung lange versäumt, rechtzeitig Vorsorge für die menschenwürdige Unterbringung und Betreuung von mehr Flüchtlingen zu treffen. Dieses Versagen hat zu unhaltbaren und inhumanen Zuständen in der Erstaufnahmeeinrichtung in Chemnitz geführt und darf sich nicht wiederholen. Die Erweiterung der Standorte der Erstaufnahmeeinrichtung auf Leipzig und Dresden ist auch unter der Berücksichtigung sozialer Aspekte richtig. Wir fordern, dass sich die Sächsische Staatsregierung für die Etablierung von weiteren Außenstellen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge an den neuen Standorten einsetzt und eine deutliche Aufstockung des Personals - insbesondere qualifizierter Entscheider - fordert. Nur so kann die Beschleunigung der Verfahren unter Einhaltung der Qualität gewährleistet werden. Die Öffnung der Erstaufnahmeeinrichtungen in Sachsen für eine mehrsprachige, qualifizierte Sozial- und Verfahrensberatung durch unabhängige Dritte ist ebenso längst überfällig, wie die finanzielle Unterstützung der Arbeit des Sächsischen Flüchtlingsrates. Die Städte und Landkreise Sachsens müssen sich den Herausforderungen für die menschenwürdige Unterbringung von Flüchtlingen stellen. In diesem Kontext begrüßen wir, dass im Koalitionsvertrag die Fortsetzung des Heim-TÜV vorgesehen ist. Wir sächsischen GRÜNEN fordern die Staatsregierung und den Landtag darüber hinaus auf, verbindliche Mindeststandards für die Unterbringung von Flüchtlingen im Sächsischen Flüchtlingsaufnahmegesetz festzulegen. Der Pauschalbetrag nach Flüchtlingsaufnahmegesetz muss deutlich angehoben und regelmäßig auf Auskömmlichkeit überprüft werden. In vielen Kommunen Sachsens beteiligen sich Menschen an Hilfsaktionen für Flüchtlinge. Patenprogramme wie die „Save-me“ Kampagne stehen stellvertretend für ein bürgerschaftliches Engagement, das in Sachsen noch viel zu wenig Aufmerksamkeit und Wertschätzung erfährt. Wir sächsische GRÜNE sehen insbesondere den Innenminister in der Pflicht, klare Signale für mehr Solidarität mit Flüchtlingen im Freistaat Sachsen zu setzen. Populistische Forderungen nach Sondereinheiten der Polizei entbehren jeglicher Grundlage und unterstützen rechtspopulistische und rassistische Vorstellungen und Vorurteile. Fremdenfeindliche motivierte Übergriffe gegenüber Flüchtlingen und Asylsuchenden sind konsequent strafrechtlich zu verfolgen. Sachsen muss deutlich machen, dass es kein zweites Hoyerswerda geben darf. Die im Koalitionsvertrag vereinbarte Förderung eines „Klima der Akzeptanz, der Empathie und des gemeinsamen Miteinanders“ braucht Untersetzung. Nicht damit zu vereinbaren ist eine sächsische Flüchtlingspolitik, die nur wertschätzt und willkommen heißt, was „nützlich und zu verwerten“ ist. Die viel propagierte Willkommenskultur muss für Flüchtlinge und Asylsuchende ebenso gelten, wie für Wirtschaftsmigranten. Flüchtlinge und Asylsuchende begeben sich unter den Schutz des Staates und der Gesetzes in einem für sie fremden Land. Oft sind sie traumatisiert und haben Gewalterfahrungen hinter sich. Es darf nicht hingenommen werden, dass sie gleiches im Aufnahmeland erleben. Deshalb brauchen wir Instrumente, die Gewaltausübung und Schikane durch Wachpersonal in den Einrichtungen verhindern. Die Sozialarbeiter und anderes Personal in den Unterbringungen brauchen Unterstützung im Umgang mit traumatisierten Menschen. Dringender Handlungsbedarf besteht hinsichtlich der sächsischen Abschiebepraxis, die von einer besonderen Härte geprägt ist. Wir sächsische GRÜNE wollen einen Paradigmenwechsel mit mehr Rücksicht auf die Belange der betroffenen Menschen. Humanitäre Gesichtspunkte sind dabei gleichermaßen zu berücksichtigen wie der ordnungsrechtliche Vollzug. Aus humanitären Gründen fordern wir einen Verzicht auf Nachtabschiebungen, die Trennung von Familien und einen Winterabschiebestopp.Von Abschiebung betroffene Menschen brauchen Gelegenheit zur umfassenden Information und Beratung über weitere Möglichkeiten des Verbleibs oder der finanziell geförderten freiwilligen Ausreise.

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