Für starke, demokratische und selbstbestimmte Kommunen

1 Am 26. Mai wählen die Menschen in Sachsen ihre kommunalen Vertretungen neu und
2 bestimmen, wer zukünftig im Gemeinderat, Stadtrat, Kreistag, Ortschaftsrat oder
3 Stadtbezirksbeirat sitzt.
4 Wir erleben als BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gerade, dass sich viele Menschen vor Ort
5 politisch einbringen wollen. Dies geht nicht nur uns so. Viele Bürgerinnen und
6 Bürger kandidieren für ihre kommunalen Vertretungen, um sich für die
7 unmittelbare Gestaltung ihres Lebensumfeldes zu engagieren. Die tausenden
8 ehrenamtlichen kommunalen Rätinnen und Räte sind das Rückgrat unserer
9 Demokratie.
10 Doch mit Blick auf die Rechte der Kommunen, die demokratischen Prozesse mit
11 Leben zu erfüllen, muss konstatiert werden, dass der Freistaat die Kommunen
12 gängelt, statt ihnen endlich das demokratische Handwerkszeug zu geben, dass
13 notwendig ist, um unsere Kommunen zu stärken. Dies spüren die neu gewählten
14 Rätinnen und Räte spätestens dann, wenn ihnen Minderheitenrechte – wie die
15 Fraktionsbildung – erschwert werden oder sie feststellen müssen, wie hoch die
16 Hürden für Bürgerbeteiligung sind.
17 Wir GRÜNE bekennen uns nicht nur zur Bedeutung der kommunalen Demokratie, wir
18 wollen sie allumfassend stärken. Das unterscheidet uns von CDU und SPD, die in
19 den letzten fünf Jahren regelmäßig zum Schlag gegen die kommunale
20 Selbstverwaltung ausgeholt haben, sei es durch die Beschneidung der Rechte der
21 Stadt- und Gemeinderäte oder durch die Verhinderung der Einführung der
22 Ortschaftsverfassung in den kreisfreien Städten.
23 BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wollen die Sächsische Gemeindeordnung und die
24 Landkreisordnung, die den rechtlichen Rahmen für kommunales Engagement geben,
25 umfassend ändern. Unser Ziel ist: Weniger Gewicht für die starken, von
26 Bürgermeisterinnen bzw. Bürgermeistern oder Landrätinnen und Landräten
27 geleiteten Verwaltungen, und größere Betonung von selbstbewussten kommunalen
28 Vertretungen, die als demokratisch legitimiertes Hauptorgan ein wirkmächtiges
29 Gegenbild dazu bilden. Deshalb wollen wir die Rechte der kommunalen Vertretungen
30 und ihrer Mitglieder deutlich ausbauen.
31 Darüber hinaus wollen wir die Rechte der Bürgerinnen und Bürger bei der
32 Gestaltung ihres Zusammenlebens stärken. Elemente der direkten Demokratie sind
33 mit Einwohnerantrag, Bürgerantrag und -entscheid vorhanden, werden aber auch
34 aufgrund der hohen Quoren so gut wir gar nicht genutzt. In ihrer derzeitigen

35 Ausgestaltung schränkt die Gemeinde- und die Landkreisordnung die Beteiligung
36 von Bürgerinnen und Bürgern ein bzw. überlässt die konkrete Ausgestaltung den
37 Kommunen. Mindeststandards für Beteiligung und Transparenz bestehen leider
38 nicht.
39 Starke Kommunen gibt es nur, wenn Bürgerinnen und Bürger mitgestalten können.
40 Wir wollen einen Aufbruch in eine neue Bürgergesellschaft in Sachsen und deshalb
41 den Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit geben, sich einfacher und besser in
42 die Entscheidungsprozesse einbringen zu können.

43 Entscheidungs- und Beteiligungsrechte der Bürgerinnen und Bürger konsequent
44 stärken
45 BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wollen das Engagement der Menschen, die sich in Sachsen
46 für das Gemeinwohl und für ihre Mitmenschen einsetzen, stärken. Bürgerinnen und
47 Bürger, die Verantwortung für unsere Gesellschaft übernehmen, sollen die
48 Erfahrungen machen, dass sich dieser Einsatz lohnt, ihr Tun konkrete Folgen hat
49 und sie so auch Veränderungen anstoßen können.
50 Dazu gehört die Möglichkeit, Sachentscheidungen unmittelbar selbst zu treffen.
51 Dafür müssen bestehende inhaltliche und formale Hürden von Bürgerentscheiden
52 abgebaut werden – durch eine einheitliche Absenkung der Quoren für
53 Bürgerbegehren von 10 auf 5 Prozent und des Zustimmungsquorums bei
54 Bürgerentscheiden von 25 auf 10 Prozent. Wir wollen, dass eine umfassende
55 Information über die Inhalte von Bürgerentscheiden vor deren Durchführung zur
56 Pflicht für die Verwaltung wird, damit die Bürgerinnen und Bürger eine
57 informierte Entscheidung treffen können. Wir wollen zudem regeln, dass
58 Bürgerbegehren und -entscheide auch in den Ortschaften durchgeführt werden
59 können, ohne dass dies explizit durch die Hauptsatzung geregelt werden muss.
60 Zudem braucht es die Möglichkeit zur Durchführung von Bürgerbegehren in
61 Stadtbezirken.
62 Über die Entscheidungsrechte hinaus, ist es als GRÜNE unser Anliegen,
63 Bürgerbeteiligung nicht als Gnadenakt der Verwaltung oder als ein Prozess „von
64 Oben“ zu begreifen, sondern als Instrumentenkasten, der es den Bürgerinnen und
65 Bürgern ermöglicht, zu gestalten. Daher wollen wir es zur gesetzlichen Pflicht
66 machen, dass die Gemeinden und Kreise Bürgerbeteiligungssatzungen erlassen, in
67 welchen den Bürgerinnen und Bürgern das Recht eingeräumt wird, mit einer
68 bestimmten Zahl an Unterschriften, sowohl Informationsanliegen gegenüber der
69 Verwaltung durchzusetzen, als auch einklagbare Beteiligungsrechte bei konkreten
70 Vorhaben geltend zu machen.
71 Um die Macht der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sowie der Landrätinnen und
72 Landräte zu beschränken, wollen wir ihre Amtszeit auf die Dauer der Amtsperiode
73 der Gemeinderäte und Kreistage reduzieren und gleichzeitig – die bisher kaum
74 erfüllbaren – Voraussetzung für ihre Abwahl durch eine Absenkung des Quorums für
75 das Abwahlverfahren von 33 auf 20 und des Erfolgsquorums von 50 auf 25 Prozent
76 erleichtern. Ein Amt als Bürgermeisterin oder Bürgermeister halten wir für
77 unvereinbar mit einem Kreistagsmandat.

78 Kommunale Selbstverwaltung darf kein leeres Bekenntnis sein
79 Mit der letzten Gemeindeordnungsnovelle hat die schwarz-rote Koalition zum
80 Schlag gegen die kommunale Selbstverwaltung ausgeholt, indem sie das Recht
81 Ortschaftsverfassungen für Ortsteile einzuführen, stark beschränkt hat. Dies
82 trifft nicht nur die Kreisfreien Städte, denen die Einführung der

83 Ortschaftsverfassung zur Stärkung der kommunalen Demokratie im Stadtgebiet nun
84 nicht mehr möglich ist, sondern auch viele kreisangehörige Gemeinden, die nicht
85 mehr ohne weiteres neue Ortschaftsverfassungen einführen können. Mit dieser
86 Entscheidung wurde der in der Kreisfreien Stadt Dresden bereits begonnene
87 Prozess, das Ortschaftsrecht für die gesamte Stadt und die bisherigen
88 Stadtbezirke einzuführen und auf diesem Wege erweiterte
89 Beteiligungsmöglichkeiten für Bürgerinnen und Bürger zu schaffen, unmöglich
90 gemacht. Daran ändert auch die seit dem existierende Möglichkeit, die
91 Stadtbezirksbeiräte zu wählen, nichts. Die Direktwahl der
92 Stadtbezirksvertreter*innen stellt dennoch einen wichtigen Beitrag zur
93 Demokratisierung der Kommunalpolitik dar, auch weil sie Stadtteilakteuren die
94 Möglichkeit einer von den Bürger*innen legitimierten Interessensvertretung
95 ermöglicht.
96 BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wollen die nicht hinnehmbare Ungleichbehandlung von
97 Einwohnerinnen und Einwohnern in Ortschaften und anderen Stadtteilen beenden und
98 den verfassungswidrigen Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung wieder
99 rückabwickeln. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stehen darüber hinaus für eine offene,
100 viele Arten von Beteiligung ermöglichende Regelung des Ortschafts- und
101 Stadtbezirksverfassungsrechts. Wir wollen es der Entscheidung der Kommunen
102 überlassen, welches Modell sie vor Ort für richtig halten und wollen es deshalb
103 auch ermöglichen, dass Städte mit mehr als 20.000 Einwohnerinnen und Einwohnern
104 und nicht nur die Kreisfreien Städte die Stadtbezirksverfassung einführen
105 dürfen.

106 Mehr Macht für die gewählten Vertreterinnen und Vertreter

107 Wir wollen der Position der Stadt- und Gemeinderäte gegenüber den
108 Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern und der Kreistage gegenüber den
109 Landrätinnen und Landräten mehr Gewicht verleihen.
110 Dazu muss der Automatismus beendet werden, dass die oder der Bürgermeister/in
111 und die Landrätin oder der Landrat automatisch dem Gemeinderat bzw. dem Kreistag
112 vorsitzen und deren Sitzungen leiten. Deshalb haben wir zum Ziel, dass es
113 zukünftig in der Hand der kommunalen Vertretungen liegt, ob eines ihrer
114 Mitglieder oder die/der Bürgermeister/in bzw. die/der Landrätin/Landrat den
115 Vorsitz übernimmt.
116 BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN treten für ein Akteneinsichtsrecht der einzelnen Rätinnen
117 und Räte und das Recht eines Viertels des Gemeinderats ein, einen Ausschuss zur
118 Untersuchung von Missständen einzusetzen. Diese Ausschüsse sollen ausreichende
119 Befugnisse erhalten, um Verwaltungsversagen auch tatsächlich aufklären zu
120 können.
121 Gesetzlich geregelt soll künftig auch werden, dass bereits 5 Prozent der
122 Ratsmitglieder das Recht haben, eine Fraktion zu bilden, sofern dies mindestens
123 zwei Personen sind. Die Gemeinden müssen den Fraktionen angemessene Mittel für
124 die sächlichen Aufwendungen gewähren. In Gemeinden mit einer/m hauptamtlichen
125 Bürgermeister/in sind auch Mittel für die personellen Aufwendungen für die
126 Geschäftsführung der Fraktionen bereitzustellen.
127 Wir wollen darüber hinaus das Höchstzahlverfahren nach d’Hondt, was im
128 Kommunalrecht häufig bei der Sitzzuteilung Anwendung findet und kleinere
129 Fraktionen erheblich benachteiligt, durch ein neutrales Sitzzuteilungsverfahren
130 ersetzen.

131 Ebenso wollen wir die Notwendigkeit des Einvernehmens der/des Landrätin/Landrats
132 bzw. des/der Bürgermeister/in für die Wahl der Beigeordneten durch die Stadträte
133 und Kreistage abschaffen, da dies eine unnötige Beschneidung ihrer Rechte
134 darstellt.

135 Ohne bessere Information keine gute Beteiligung

136 Eine bestmögliche Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern setzt Transparenz und
137 Informiertheit voraus. Nur wenn ich weiß, welche Entscheidungen in meiner
138 Kommune anstehen, kann ich mir dazu eine Meinung bilden und mich mit anderen
139 darüber austauschen. In Sachsen gibt es immer noch Gemeinden, in denen die
140 Beschlussvorlagen für die öffentlichen Sitzungen der Gemeindevertretung nicht
141 veröffentlicht werden. Bürgerinnen und Bürger können sich zwar über die
142 Tagesordnung informieren, nicht aber über die konkrete Entscheidungsgrundlage.
143 Das ist das Gegenteil von Transparenz. Das ist Geheimniskrämerei, die zu
144 Überdruss und Ablehnung von Politik führt, die wir derzeit vielerorts erleben.
145 Deshalb wollen wir verbindlich in der Gemeindeordnung regeln, dass die Kommunen
146 alle Vorlagen rechtzeitig im Internet zu veröffentlichen haben. Ebenso wollen
147 wir die grundsätzliche Öffentlichkeit der Ausschüsse durchsetzen, um eine
148 bessere Transparenz über politische Entscheidungen herzustellen.
149 BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN treten darüber hinaus für ein Transparenzgesetz ein, dass
150 Kommunen verpflichtet, Bürgerinnen und Bürgern den Zugang zu allen Informationen
151 zu ermöglichen, die vorhanden sind. Die kommunalrechtlichen Regelungen sollten
152 diese Transparenz nachvollziehen und den Zugang zu Informationen über
153 Bürgerbeteiligungssatzungen unterstützen.

154 Starke Kommunen brauchen mehr Vertrauen

155 Wir wollen die kommunale Demokratie noch lebendiger machen und die Kommunen als
156 Keimzellen der Demokratie stärken. Dazu braucht es mehr Vertrauen in die
157 kommunale Selbstverwaltung statt des regelmäßigen Versuches der CDU-geführten
158 Staatsregierungen, die Kommunen an die Leine zu legen.
159 Ein Aufbruch in eine neue Bürgergesellschaft kann nur gelingen, wenn die
160 Bürgerinnen und Bürger sowie Gemeinderäte, Stadträte, Kreistage und
161 Ortschaftsräte endlich mehr Rechte erhalten. Am 26. Mai treten viele engagierte
162 Menschen dafür an, ihre Kommune lebenswert und demokratisch zu gestalten. Bei
163 der Landtagswahl am 1. September wird auch darüber entschieden, ob sie dafür
164 größtmögliche Rechte erhalten oder weiter Ignoranz erfahren.

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