Der vierte Sachstandsbericht der Sachverständigengruppe der Vereinten Nationen über
Klimaänderungen (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC) sagt uns eine
dramatische Änderung des Klimas vorher, wenn es nicht gelingt, den Anstieg der globalen Mitteltemperatur auf 2 Grad zu begrenzen. Folgen werden ein Anstieg der Meere, ein weitere Zunahme von Extremwettereignissen, Ausdehnung der Wüsten und eine Abnahme der
fruchtbaren Böden sein. Ökonomen rechnen mit einem Rückgang des Weltsozialprodukts um
bis zu 20%.
Der Zeitrahmen, um den Klimawandel zu begrenzen, ist eng. In der nächsten Dekade müssen
die Weichen gestellt werden. Rechtzeitiges Handeln wird sich rechnen, Investitionen in den
Klimaschutz machen sich bezahlt. In Sachsen lässt sich das beim Boom der Erneuerbaren Energien, die schon doppelt so viele Arbeitsplätze wie die Kohlewirtschaft bereitstellen, gut beobachten.
Begrenzung des Klimawandels ist gleichbedeutend mit einer Reduzierung der Pro-KopfEmissionen auf zwei Tonnen im Jahr. In Sachsen liegen wir über 13, ein Anstieg auf mehr als 14
Tonnen ist durch die Inbetriebnahme des neuen Blocks in Boxberg kaum mehr aufzuhalten. Der
sächsische Beitrag zur Begrenzung des Klimawandels wird dann eine Reduktion von 85% der
CO2–Emissionen sein müssen. An diesem Ziel muss sich die sächsische Politik messen lassen. Die
von CDU und SPD geführte Staatsregierung hat bis heute nichts unternommen, um kurz- oder
mittelfristig dem Klimawandel Einhalt zu gebieten. Sie macht nicht nur weiter wie bisher, sondern konterkariert noch die zaghaften Bemühungen der Bundesregierung beim Klimaschutz.
Statt weitere Zeit zu verschenken und klimapolitische Rhetorik ohne Folgen wie im
Energieprogramm des Wirtschaftsministers zu verbreiten, muss der Freistaat sich schleunigst auf
den Weg machen, eine weitgehende CO2 –freie Zukunft zu planen. Dafür bedarf es eines massiven Ausbaus der Erneuerbaren Energien, Anreize für Investitionen in Kraft-WärmeKopplungsanlagen, eine Überprüfung der Netzstruktur, einer Verkehrswende und die
Realisierung der Energieeffizienz- und Einsparpotentiale. Studien zeigen, es ist technisch
machbar und bezahlbar, dass die Erneuerbaren Energien 100% unseres Bedarfs decken. Wir
müssen uns auf den beschwerlichen Weg machen, dieses Ziel zu erreichen.
Milliardenschwere Fehlinvestitionen durch unmäßigen Ausbau der Tagebaue verhindern, denn in den genehmigten Tagebauen ist ausreichend Kohle vorhanden.
In den bereits genehmigten Tagebauen Nochten und Reichwalde betragen die Kohlevorräte ca.
750 Mio. Tonnen. Der derzeitige Jahresbedarf der Kraftwerke in Boxberg beträgt 19 Mio.
Tonnen und wird, wenn der neue Block im Jahr 2011 in Betrieb geht, auf ca. 24 Mio. Tonnen
ansteigen. Die Versorgung der Kraftwerke durch die genehmigten Tagebaue ist damit weit über
das Jahr 2030 hinaus, ohne dass neue Felder in Anspruch genommen werden müssen,
gesichert.
Bis zum Jahr 2030 werden die Kraftwerksblöcke in Boxberg, befeuert mit der Braunkohle aus
den genehmigten Tagebauen, das Klima mit über 500 Millionen Tonnen CO2 belasten, wenn
die Politik in Berlin und Dresden dem klimaschädlichen Treiben bis dahin keinen Einhalt
gebietet.
Den ökologischen GAU für die Lausitz verhindern
Die regionalen Klimaprognosen für die Lausitz sagen für die nächsten Jahrzehnte einen
drastischen Rückgang der Niederschläge in der Region voraus, in den Sommermonaten ist mit
einem Rückgang von über 30% zu rechnen. Wenn es weniger regnet, die Temperaturen und
mit ihnen die Verdunstungsraten steigen, wird sich das Wasserproblem verschärfen.
Das Wasserdargebot in den Flüssen, die die Tagebaurestlöcher fluten, – Neiße, Spree und
Schwarze Elster – wird weiter zurückgehen. Schon jetzt ist abzusehen, dass durch die sinkende
Möglichkeit der Entnahme die Versauerung vorangetrieben wird. Der pH-Wertes des Wassers
in einigen Braunkohlerestlöchern gleicht dem von Haushaltsessig.
Das Wasser in der Lausitz wird knapp. Die größte Gefahr geht dabei nach Ansicht der
Wissenschaftler vom deutlichen Sinken des Grundwasserspiegels aus. Wenn mittelfristig die
Versorgung mit Trinkwasser nicht gesichert ist, sollte man nicht über die Genehmigung neuer
Tagebaue nachdenken!
Es ist an der Staatsregierung, die Folgen des Klimawandels für die Lausitz zum Anlass zu
nehmen, Szenarien für ein mögliches Wassermanagement in der Lausitz zu beschreiben und
umgehend Anpassungsmaßnahmen zu ergreifen. Es droht, dass die gesamte Lausitz sich zu
einer Steppenlandschaft wandelt, in der weder Land- noch Forstwirtschaft möglich ist. Flora
und Fauna der Lausitzer Naturräume (Bergland, Gefilde, Heide- und Teichlandschaft) sind
einem starken Veränderungsdruck ausgesetzt.
Alle Pläne zur weiteren Erschließung von Tagebauen in der Lausitz und damit die
jahrzehntelange Fortsetzung der Verstromung erlauben vor dem Hintergrund der
wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Folgen des Klimawandels nur eine Bewertung:
Ökologischer Wahnsinn.
CO2-freies Kraftwerk als Lösung?
Wenn die Kohlevorräte in den genehmigten Abbaugebieten bis über das Jahr 2030 hinaus
reichen, steht die Frage, warum Vattenfall sich schon jetzt das Vorranggebiet in Nochten
planungsrechtlich sichern will. Hofft man, die Kohle in CO2-freien Kraftwerken verfeuern zu
können?
Wir sind skeptisch, ob die Abscheidung und anschließende Verpressung des CO2 (Coal Storage
und Capture, CCS) eine zukunftsfähige Innovation ist. Können die gigantischen Mengen an
CO2 (28 Mio. Tonnen pro Jahr in Sachsen derzeit) über Hunderte von Jahren leckagefrei
gelagert werden? Hat der neue Kraftwerkstyp bei höheren Kosten und geringerem
Wirkungsgrad eine Chance, sich auf dem Markt gegen die Erneuerbaren Energien
durchzusetzen? Wer kommt für die Versicherung des verpressten CO2 im Jahre 2500 auf? Legt
Vattenfall entsprechende Rücklagen an?
Fragen, die in den nächsten Jahren zu beantworten sind. Zu verhindern ist, dass wir wieder
einen Weg beschreiten, der unsere energetischen Probleme auf Kosten künftiger Generationen
löst. Die strahlenden Hinterlassenschaften der Atomenergie sind genug Ballast. Weiteren sollten
wir nicht produzieren.
Nach übereinstimmenden Aussagen von Konzernvertretern, Braunkohlewirtschaft und
Forschern wird das erste CO2–freie Kraftwerk nicht vor dem Jahre 2020 zur Verfügung stehen.
Durch die Erfahrungen mit dem Versuchskraftwerk und den bodenkundlichen Untersuchungen
wird man bereits ab 2015 wissen, ob die technischen Probleme lösbar sind. Genug Zeit also,
dann noch einmal darüber nachzudenken, ob und welche Flächen bergbaulich in Anspruch
genommen werden sollten.
Auch dann ist aber zu bedenken, dass jede bergbauliche Maßnahme einen irreversiblen Eingriff
in den Naturhaushalt darstellt. Der übermäßige Ausstoß von CO2 ist nicht das einzige Problem,
das der Braunkohletagebau verursacht.
Den Wettbewerb stärken und gestalten, um die Klimaziele zu erreichen und zukunftsfähige Arbeitsplätze im Bereich der erneuerbaren Energien für die Menschen in der Lausitz zu schaffen
Der Deutsche Bundestag hat das Treibhausgasemissionshandelsgesetz so kohlefreundlich
gestaltet, dass die Betreiber sich in der nächsten Handelsperiode (2008 bis 2012) über eine volle
Auslastung ihrer Kraftwerke und weiterhin satte Gewinne freuen können. Die Energieversorger
planen bis zu 30 neue Kraftwerke auf Basis von Stein- und Braunkohle zu bauen. Sir Nicolas
Stern, Ex-Chefvolkswirt der Weltbank, nennt in seinem Bericht für die britische Regierung den
Klimawandel als „größtes Marktversagen aller Zeiten“ und fordert nachdrücklich dazu auf, den
Ausstoß von CO2 mit einem gerechten, d. h. in Relation zu den Umweltschäden stehendem
Preis zu belegen.
Weil 90% der Verschmutzungszertifikate verschenkt und Kohlekraftwerke 72 bevorzugt werden, zahlen die Verursacher des Klimawandels nur ein Bruchteil der Umweltkosten, für die sie
Verantwortung tragen. CDU und SPD im Bundestag haben es versäumt, im Rahmen der
nächsten CO2-Handelsperiode den Wettbewerb der Stromerzeuger unter den Bedingungen des
Klimaschutzes zu organisieren. Peinlich für uns Sachsen: CDU und SPD aus dem Freistaat haben
im Gesetzgebungsverfahren den Weitblick von Kirchturmspolitiker bewiesen, als sie gegen die
Vorschläge von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundesumweltminister Gabriel votierten
und die Position von Vattenfall 1:1 übernahmen.
Die Privilegierung der Kohle kann aber nicht ewig währen, denn der Bau neuer Kohlekraftwerke
verträgt sich nicht mit dem Klimaschutzziel einer Reduktion der Treibhausgase von 30 oder
40% bis zum Jahre 2020. Großkraftwerke mit einer spezifischen Emissionsbelastung von 750
Gramm oder und mehr pro erzeugter Kilowattstunde passen nicht zu einer Politik, die eine globale Herausforderung durch internationale Abkommen meistern muss.
Über kurz oder lang gibt es deshalb keinen anderen Weg, als der Braunkohle die Kosten aufzuerlegen, die sie verursacht. Wir fordern: Emissionszertifikate müssen ab der ersten Tonne
diskriminierungsfrei unter den verschiedenen Anbietern der Stromerzeugung versteigert werden. Das ist der marktwirtschaftliche Weg zur Begrenzung des Klimawandels. Und wir sagen
voraus: Verantwortliche Politikerinnen und Politiker werden sich ihm auf Dauer nicht verschließen können.
Wenn die Kosten, die Vattenfall heute der Allgemeinheit auferlegt, zukünftig in die
betriebswirtschaftlichen Rechnungen eingehen müssen, bekommt die Braunkohle ein massives
Wettbewerbsproblem: Auch deshalb lehnen wir die Inanspruchnahme jeden weiteren
Quadratzentimeter Bodens für die Braunkohle ab, denn die Frage ist offen, ob Braunkohle in 20
Jahren noch ein wettbewerbsfähiger Energieträger ist.
Arbeitsplätze sind nicht durch neue Tagebaue und neue Kohlekraftwerke zu schaffen, sondern
durch Entwicklung neuer Technologien, die es ermöglichen, aus regenerativen Rohstoffen, sowie aus Wind, Sonne und Erdwärme unseren Energiebedarf zu decken. Dadurch könnte gerade
die Lausitz zu einem Kompetenzzentrum für erneuerbare Energien werden und die dort entwickelten Technologien dann auch exportieren.
Den rigorosen Ausverkauf von Ressourcen stoppen
„Solidarität mit den Sorben“ - die Verwüstung der Lausitzer Heimat verhindern und endlich Verantwortung für die Menschen der Lausitz übernehmen
Der Energiekonzern Vattenfall Europe AG hat beim zuständigen Regionalen Planungsverband
Oberlausitz/Niederschlesien beantragt, das Planungsverfahren zur Vergrößerung des
Tagebaues Nochten zu eröffnen. Im Vorranggebiet Nochten liegen Braunkohlevorräte in der
Größenordnung von 300 Millionen Tonnen. Bedroht durch die Inanspruchnahme sind 1.450
Menschen in 540 Haushalten im Kirchspiel Schleife (in den Ortschaften Rohne, Mühlrose und
Mulkwitz sowie in der Gemeinde Trebendorf). Allein in Trebendorf wären 500 Menschen betroffen, was fast 50 % der derzeitigen Bevölkerung der Gemeinde bedeutet. 46 Gewerbebetriebe mit ca. 250 Arbeitsplätzen fielen ebenfalls der Umsiedlung anheim. Auch die KiTa „Milenka“ oder der unlängst mit viel bürgerschaftlichem Engagement wiederaufgebaute „NjepilaHof“ in Rohne als historischer Lernort sind Zentren sorbischer Kultur und Brauchtumspflege. Sie
würden den Baggern zum Opfer fallen. Das alles ist eine reale Bedrohung für die eigenständige
und nur in der nachbarschaftlichen Geschlossenheit zu erhaltene Kultur- und Sprachregion der
evangelischen Sorben des Schleifer Kirchspiels.
Das Schicksal der Einwohner und der Umgang mit einer jahrhundertealten sorbischen
Siedlungskultur – das sind für den Konzern nur wirtschaftliche Größen. Als vorläufig größter
Arbeitgeber in der Region mit besten Verbindungen in die Politik kann Vattenfall auf eine große
Unterstützung der Entscheidungsträger setzen und mögliche Bedenkenträger mit Geld ruhig
stellen. In der Hoffnung auf weitere exorbitante Gewinne lässt man sich den Zugriff auf die
Kohle einiges kosten.
Die DOMOWINA bekräftigte unlängst ihre Position, dafür einzutreten, dass das betreffende
Vorranggebiet im Braunkohleplan gestrichen und auf alle weiteren Pläne verzichtet wird, die zur
Abbaggerung der eingangs genannten Gemeindeteile führen würden. Nur so kann die dauerhafte Existenz dieser Dörfer der einmaligen Schleifer sorbischen Kulturregion gesichert werden.
Sachsens GRÜNE solidarisieren sich mit diesen Bemühungen und stellen sich an die Seite der
Sorben dieser Region. Wir werden lokale und regionale Aktionen gegen die Abbaggerung nach
Kräften unterstützen. Die Regierenden in Sachsen werden sich daran messen lassen müssen,
wie ehrlich sie es wirklich meinen mit den Verfassungszielen vom Schutz, der Förderung und
den garantierten Entwicklungsmöglichkeiten der sorbischen Minderheit.
Wir lehnen die Pläne des Energieversorgers ab und fordern den Regionalen Planungsverband
und die Staatsregierung auf, keinen weiteren Quadratzentimeter sächsischen Bodens mehr der
Braunkohle zu opfern. Die planungsrechtliche Sicherung des Vorranggebietes Nochten ist zum
gegenwärtigen Zeitpunkt energiewirtschaftlich unnötig, wäre angesichts der ökologischen Herausforderung durch den Klimawandel eine Bankrotterklärung und würde einzig und allein den
privatwirtschaftlichen Interessen von Vattenfall dienen.
Darum kann es nur heißen: „Keinen weiteren Quadratzentimeter Lausitzer Bodens mehr für die
Braunkohle und Vattenfall!“
Solidarität mit Brandenburg
Noch weitaus schlimmeren Raubbau an der Natur als in Sachsen will Vattenfall in Brandenburg
betreiben. Nach einer Studie der TU Clausthal wird in Brandenburg erwogen, zusätzlich weitere
sieben Tagebaue zu erschließen. 33 Orte wären von der Abbaggerung und knapp 8.000 Menschen von einer Umsiedlung betroffen. Und auch in Brandenburg scheinen SPD und CDU wild
entschlossen, dem Energieversorger jeden Wunsch zu erfüllen – was immer auch für Umweltschäden entstehen.
Durch eine Volksinitiative wollen Umweltverbände und der Landesverband BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN die dortige Landesregierung zwingen, den geordneten Rückzug aus
Braunkohletagebau und -verstromung anzutreten. Wir solidarisieren uns mit der Initiative
unserer brandenburgischen Freundinnen und Freunde.
Perspektiven für eine nachhaltige Energie-Region schaffen
Die Entscheidung gegen den Klimakiller Braunkohle als zukünftigen Energieträger ist keine Entscheidung gegen die Menschen, die mit Erwerbsarbeit im Tagebau ihre Existenz sichern müssen. Vielmehr wollen wir diesen Menschen eine wirkliche und langfristige Perspektive bieten -
so, wie es zum Beispiel in vielen Solar- und Biokraftwerken schon der Fall ist. Deshalb fordern
wir die Länder Brandenburg und Sachsen auf, Weiterbildung und Anpassungsfortbildungen an
der BTU in Cottbus, an der Hochschule Zittau/Görlitz (FH), an der FH Lausitz (Senftenberg/Cottbus) zu fördern sowie das Centrum für Energietechnologie Brandenburg (CEBra) weiter auszubauen, um damit den Grundstein für eine nachhaltige Energie-Region in der Niederlausitz zu schaffen
Beschluss als PDF